Buchtipp Vom Deutzer Kastell zur Köln-Arena
Köln · Im rechtsrheinischen Köln zählt Deutz zu den angesagten Veedeln und das nicht nur wegen seiner zentralen Lage direkt gegenüber des Doms. Dabei gehört der Stadtteil erst seit 130 Jahren zu Köln. Über viele Jahrhunderte war Deutz eine selbstständige Stadt.
Gegründet wurde Deutz im Jahr 310 n. Chr. und ist somit stolze 1700 Jahre alt.
Lange galt der Rhein den Kölnern als die natürliche Stadtgrenze und alles, was auf der gegenüberliegenden Uferseite geschah, war den Menschen in der Domstadt eher fremd und suspekt. Zur Römerzeit waren Deutz und sein Castellum Divitia über eine Brücke mit der Colonia Claudia Ara Agrippinensium verbunden.
Deutz als Bollwerk
gegen die Germanen
Auf der rechten Rheinseite lebten verschiedene Germanenstämme, vor denen im 4. Jahrhundert das Deutzer Kastell als rechtsrheinisches Bollwerk Schutz bieten sollte. Am Rheinboulevard zeigt ein Modell die quadratische Anlage mit ihren 14 Wachtürmen, von der heute noch Fragmente erhalten sind, die im Gewölbekeller der ehemaligen Abtei St. Heribert zu sehen sind.
Im Mittelalter ist man an der direkten Verbindung nach Deutz nur wenig interessiert – die alte Römerbrücke verschwindet unter Erzbischof Bruno im 10. Jahrhundert und wird erst 1822 durch eine Schiffsbrücke ersetzt. Wer die Uferseite wechseln wollte, war 900 Jahre lang auf Fähren angewiesen.
Zu den wichtigen Persönlichkeiten für die Entwicklung von Deutz zählt Erzbischof Heribert, dessen Gebeine sich heute in einem Schrein in der gleichnamigen Kirche an der Deutzer Freiheit befinden. 1230 wird Deutz zur Stadt erhoben und erfährt einen steilen Aufschwung. Lange gewährt dieser Zustand aber nicht und so entsteht die Vriheit (Freiheit) Deutz. Erst unter Napoleon wird Deutz 1806 wieder zur Stadt und später unter den Preußen zur Garnisonsstadt und zum Bahnknotenpunkt.
Nachhaltig verändert sich Deutz mit der Industrialisierung. Zentral ist dabei die Motorenfabrik von Nikolaus August Otto und Eugen Langen, denen heute am Deutzer Bahnhof ein Denkmal gewidmet ist. Unter OB Konrad Adenauer entsteht in Deutz nach dem Ersten Weltkrieg die Messe. Während der NS-Zeit gibt es dort eine Außenstelle des KZ Buchenwald – Tausende Menschen werden vom Deutzer Bahnhof aus in den Tod geschickt.
In seinem gerade im Emons Verlag erschienenen neuen Stadtführer bringt Autor Michael Kriegel seine Leser bei einer Entdeckungstour zu bekannten und unbekannten Orten in Deutz. Der Weg führt die Besucher vom Deutzer Bahnhof mit seiner markanten Kuppel zum Düxer Bock, mit dem sich eine kölsche Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte verbindet, die allerdings anders als bei Shakespeare ein Happy End erfährt.
Zur Skyline der Schäl Sick zählt der Lanxess-Tower, in dem ursprünglich die Hauptverwaltung der Lufthansa residierte. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Kirche Alt St. Heribert, die einst zur gleichnamigen Abtei gehörte und die heute von der griechisch-orthodoxen Gemeinde als Gotteshaus genutzt wird.
Zu den umstrittensten Hochhäusern der Stadt gehört der gut 100 Meter hohe Köln-Triangle, der den Dom bei der Unesco kurzzeitig auf die Liste des gefährdeten Welterbes brachte. Gerade neu gebaut wird die Messe City am Deutzer Bahnhof. Dort, wo früher Menschen im beschaulichen Barmer Viertel wohnten, entsteht ein neues, hochmodernes Büro- und Hotelquartier.
Der Rheinpark mit seinem
gerade sanierten Parkcafé
Der Blick fällt außerdem auf den Rheinpark mit seiner Seilbahn und dem frisch sanierten Parkcafé genauso wie auf die benachbarte Claudius Therme und den Tanzbrunnen. Die erste protestantische Kirche in Deutz war die 1861 eingeweihte St. Johanneskirche direkt gegenüber des „Deutzer Doms“ - Neu St. Heribert. Nicht mehr vorhanden ist die Deutzer Synagoge – einziges greifbares Denkmal jüdischen Lebens in Deutz ist der alte jüdische Friedhof am Reischplatz.
Aus dem prächtigen Deutz-Kalker-Bad, dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Bad, ist heute ein Luxushotel geworden. Unweit davon hat die Lanxess-Arena seit 1998 ihren Platz gefunden und so die beliebte Kölner Sporthalle als den zentralen Veranstaltungsort abgelöst. Ein Wandel steht derzeit beim 1909 eingeweihten Deutzer Hafen mit der imposanten Drehbrücke an. Aus dem alten Industriehafen soll künftig ein neues urbanes Quartier zum Leben und Arbeiten entstehen.
Von der alten Prachtstraße Deutzer Freiheit ist durch den Brückenbau heute nur ein Teilstück übrig geblieben. Früher war diese von Nobelhotels, Restaurants, Spielsalons, Tanzlokalen und Kinos gesäumt. Die Straße war die Ausgehmeile und das Vergnügungsviertel der Kölner. Ein eigenes Kapitel bekommen die Rheinbrücken, die von der Süd- bis zur Zoobrücke auf dem Gebiet des rechtsrheinischen Innenstadtbezirks Deutz münden. Dort treffen zwei auf den neuen Rheinboulevard mit seinem Historischen Park und der großen Freitreppe.
Der Geisterbahnhof
und der Deutzer Keller
Zu den unbekannten und außergewöhnlichen Orten in Deutz zählt zum Beispiel der nie genutzte Geisterbahnhof in der dritten Ebene unter dem U-Bahnhof „Deutz/Messe Lanxess-Arena“ oder der Innenraum der Deutzer Brücke, der zeitweise auch Wohnort der Kunstmanagerin Elke Koska war. Sie lebte im rechtsrheinischen Teil der Rampe.
Ungewöhnlich ist der begehbare Fernwärmetunnel unter dem Rhein oder der mit der Fassade einer Kirche bemalte Hochbunker an der Helenenwallstraße. In Deutz befindet sich zudem der Deutzer Keller im Sendezentrum von RTL, wo die Video-Assistenten der Bundesliga ihre Arbeit tun. Die Deutzer Platte ist eine 150 Meter breite Untiefe im Rhein auf Höhe von Kilometer 687. Einen Blick wert ist zudem die Bambus-Allee in den ehemaligen Rheinhallen der Messe, die den Versicherungskonzern HDI mit dem Fernsehsender RTL verbindet.
Michael Kriegel: Deutz vom römischen Kastell bis zur Köln-Arena, Emons-Verlag, 188 Seiten, 12 Euro