Karneval Von „Köln eine Kroyn“ bis „Heidewitzka in New York“
Köln · Sie waren im Kölner Karneval einst die großen Stars: Hans David Tobar, der zwischen 1905 und 1933 in ganz Deutschland die Festsäle rockte, dann nur noch in jüdischen Gemeinden auftreten durfte und 1939 in die USA emigrierte.
Die Büttenrednerin Gerti Ransohoff, die allein 1930 fünfmal im Gürzenich eine „Rakete von Witz und Laune“ zündete, und der 1854 in Bonn geborene Komponist und Mundartdichter Emil Jülich, der das Motto der vergangenen Jubiläums-Session schuf: „Ov krüzz oder quer, ov Knäch oder Hähr – mer looße nit un looße nit vum Fasteleer!”.
Heute sind die meisten von ihnen in Vergessenheit geraten. Das zu ändern, war das Anliegen der Kölschen Kippa Köpp, die sich mit ihrem Publikum am Sonntagabend im Ehrenfelder Urania-Theater vor restlos ausverkauftem Haus auf eine jüdische Zeitreise durch den kölschen Fastelovend begaben.
Auf den Spuren von jüdischen Karnevalisten vor der NS-Zeit
Dafür durchforsten sie die Archive auf den Spuren jüdischer Karnevalisten, die zwischen 1823 und 1938 den kölschen Fastelovend mit ihrem Humor, mit ihren Texten und Liedern bereichert haben. Auch Stücke, die in den 1950er Jahren in den USA entstanden, wurden an der Platenstraße zu Gehör gebracht. Denn, wer von den jüdischen Jecken der Schoa entkam, nahm den Karneval oft mit ins Exil und erweckte ihn in der neuen Heimat zu neuem Leben.
„An dem Projekt arbeiten wir schon mehrere Jahre. Viele Texte haben wir eher durch Zufall aufgestöbert. So konnten wir das umfangreiche Karnevalsarchiv von Wicky Junggeburth in Augenschein nehmen, wo wir 30 teils handgeschriebene Texte von Hans David Tobar entdeckt haben. Dazu kamen digitalisierte Schriften von Karnevalsgesellschaften mit Reden und Liedern sowie ausführliche Zeitungsberichte über Sitzungen“, sagt Schriftführer Volker Scholz-Goldenberg, der sich zusammen mit dem Präsidenten Aaron Knappstein intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat.
Jüdische Künstler waren
echte Bühnenstars im Karneval
Neben Tobar und Jülich wurden auch andere Büttenredner wie Moritz Wertheim entdeckt, die in ihrer Zeit echte Stars auf den jecken Bühnen waren, vergleichbar mit heutigen Rednern wie Bernd Stelter oder Martin Schopps. „Sie sind nach der NS-Zeit komplett in Vergessenheit geraten, das wollen wir jetzt ändern“, erklärt Scholz-Goldenberg.
Das Urania-Theater in Ehrenfeld liegt nicht weit entfernt von der Rheinlandhalle, wo der Kleine Kölner Klub früher neben der historischen Wolkenburg seine Veranstaltungen in der Session abgehalten hat. „Tobar hat für den Kleinen Kölner Klub auch wie ein Literat Programme zusammengestellt. In unserem Programm haben wir zum Finale drei Gedichte vom Präsidenten Max Salomon, die nach dessen Emigration in die USA entstanden sind.“
Vom Kleinen Kölner Klub gibt es heute nur noch wenige Relikte wie zum Beispiel einige Sessionsorden und Zeitungsartikel. „Das einzige Foto von einer Veranstaltung haben wir in der Biografie von Karl Küpper gefunden. Es zeigt ihn bei einem Auftritt bei einer Sitzung. Im Hintergrund sind die drei Ks gut erkennbar.“
Für ihr Programm haben die Kölschen Kippa Köpp viele Mitstreiter gefunden: „Dazu zählt die Musikformation Schängs Schmölzje, die eine große Leidenschaft für kölsche Musik hat. Über sie gab es den Kontakt zur Oper und zur Mezzosopranistin Dalia Schaechter. Die Texte werden von den beiden Schauspielern Michael Klevenhaus und Susanne Kamp vorgetragen“, berichtet Mitorganisatorin Anne Emunds-Axer.
Die aktuellen Ereignisse
lösen viele Diskussionen aus
Die Hospitantin der Kippa Köpp hat wie das Publikum und viele andere Mitglieder der Gesellschaft die Texte und Lieder neu für sich entdeckt: „Man hat vor 100 Jahren schon über andere Dinge gelacht. Viele Dinge wären nach den heutigen Maßstäben auch nicht mehr ganz politisch korrekt. Interessant finde ich, dass damals viel Hochdeutsch auch in Köln verwendet wurde“, sagt Emunds-Axer.
Bei den Kölschen Kippa Köpp haben die aktuellen Ereignisse in Israel deutliche Spuren hinterlassen: „Natürlich wird bei uns jetzt viel diskutiert, auch darüber, ob man jetzt Veranstaltungen noch machen kann. Diesen Abend haben wir über Monate vorbereitet. Er würdigt die frühen jüdischen Künstler im Karneval, daher wollten wir diesen Termin unbedingt realisieren. Diskutiert wird jetzt auch die Teilnahme bei Veranstaltungen zum Sessionsauftakt. Hier gibt es verschiedene Meinungen. Aber viele wollen sich nicht ihr Leben von Terroristen und Extremisten diktieren lassen“, sagt Scholz-Goldenberg.
Komplett ausverkauft ist bereits auch der karnevalistische Frühschoppen „Falafel & Kölsch“ Anfang Januar in der Synagoge an der Roonstraße. Dazu kommt die Kneipensitzung der Kippa Köpp, bei der auch der Vorverkauf läuft. „Ich gehe davon aus, dass auch diese Sitzung stattfinden wird, auch wenn wir im Moment eine ziemlich skurrile Gemengelage haben.“ Für die Zeitreise im Urania-Theater gibt es am 7. Februar um 19 Uhr einen weiteren Termin, für den noch Karten erhältlich sind.