Wie ist die Idee zum Buch entstanden?
Genuss Zwischen Kölsch und Kebab
Köln · In seinem Buch „Zwischen Kölsch und Kebab“ hat sich Autor Felix Stricker (26) mit einem besonderen Kapitel der Kölner Stadtgeschichte befasst. Dabei blickt er auf das Geschehen zwischen Brauhaus, Imbiss und Gourmettempel.
Reibekuchen oder Himmel un Ääd spielen dabei genauso eine wichtige Rolle wie Kebab oder Pizza. Zwischen Krisenzeiten, Karneval und Klüngel hat sich in der Domstadt eine einzigartige Ess- und Trinkkultur entwickelt. Stricker geht es aber nicht nur um einen kulinarischen Rückblick, sondern auch um die Zukunft zwischen Kölsch und Kebab.
Felix Stricker: Ich habe an der Uni Gießen Geschichte und Journalistik studiert. Bei einem Seminar ist dort die Idee entstanden, ein Buch über die Hintergründe von beliebten kulinarischen Erzeugnissen zu schreiben. Während des Studiums und meinen Nebenjobs als Student erschien mir aber das aufwendige Buchprojekt als nicht realisierbar. Stattdessen ist ein Podcast zur globalen Kulinarik-Geschichte entstanden, den ich inzwischen mit einem zweiten Autor betreibe. In den bislang 50 Folgen ging es zum Beispiel um Gerichte wie Pizza und Hamburger oder Getränke wie Kaffee. Später bin ich nach Köln gezogen, um dort meinen Master zu machen. Vor Ort bin ich auf eine Ausschreibung der Stadt gestoßen, die stadthistorische Projekte fördert. Ich habe mich mit meiner Idee zur Kölner Kulinarik-Geschichte beworben und bekam den Zuschlag.
Welche Bezüge haben Sie zu ihrer Wahlheimat Köln?
Stricker: Ich stamme aus dem Oberbergischen Kreis und Köln ist da die nächste Großstadt. Ich mag die Mentalität der Leute dort sehr und war froh, nach meinem Grundstudium in Köln weiter studieren zu können. Ich bin jemand, der gerne ins Brauhaus geht, aber ich unternehme auch kulinarische Expeditionen, um neue, auch internationale Lokale zu entdecken. Das Buch hat mir dazu nun gute Gründe geliefert.
Kochen Sie auch selbst?
Stricker: Es macht mir Spaß, auch mal etwas aufwendiger für Freunde zu kochen, um dann das Essen gemeinsam zu genießen. Zu meinen Leibgerichten gehört Spaghetti Bolognese nach dem Rezept meiner Mutter. Von ihr habe ich auch das Rezept für den Rheinischen Sauerbraten, den ich sehr liebe. Ich habe das Gericht wegen des großen Aufwands aber bislang nur zweimal selbst gekocht.
Wie sind Sie bei dem Buch vorgegangen?
Stricker: Ich habe in meinem Studium gelernt, wie man historisch arbeitet. So habe ich mir Quellen und die entsprechende Sekundärliteratur beschafft. Das war mein Grundstock. Dazu kam die Fragestellung, ob und wie die Institution Brauhaus mit ihrer langen Tradition in der Stadt noch funktioniert, wenn sich der Zeitgeist und die Ernährungsgewohnheiten verändern. Meine Hauptquellen waren Kölner Reiseführer von 1900 bis heute. Zu jedem Jahrzehnt habe ich mir ein Exemplar besorgt und untersucht, wie dort die Kulinarik dargestellt wird.
Und zu welchem Ergebnis sind Sie bei den Brauhäusern gekommen?
Stricker: Das hängt von der Umgebung eines Brauhauses ab. Steht ein Brauhaus an einem touristischen Hotspot wie am Dom oder in der Altstadt, wird es dort nur wenige Veränderungen geben, weil die Gäste dort mit einer gewissen Erwartungshaltung hinkommen. Sie wollen die typisch, kölsche Atmosphäre erleben. Befindet sich das Brauhaus im Veedel mit vor allem heimischer Kundschaft, muss es sich mehr anpassen und zum Beispiel auch vegetarische oder vegane Gerichte anbieten. Dort haben es auch Frauen im Köbesberuf etwas leichter. Insgesamt gesehen haben sich die Kölner Brauhäuser aber weniger als andere Gastronomiebetriebe verändert und sind weniger dem Zeitgeist gefolgt.
Welche Veränderungen gab es beim Kölsch selbst?
Stricker: Der Biermarkt in Köln hat sich konzentriert. Gab es früher mehr als 100 Kölsch-Marken sind es heute noch gut 20. Die größeren Brauereien wie Früh, Gaffel oder Reissdorf dominieren den Markt, kleinere Marken habe es da schwerer. Das zeigt auch die Übernahme der Sünner Brauerei durch die Malzmühle. Gleichzeitig verändert sich das Angebot. So hat man bei Gaffel und Hellers das Wiess wiederentdeckt und an den modernen Geschmack angepasst. Mit Zappes Broi ist in Köln auch eine Pilsmarke sehr erfolgreich, weil sie gut zum Zeitgeist und zur Büdchenkultur der Stadt passt. Das kommt gerade bei der jungen Kundschaft gut an.
Welche Rolle spielt die internationale Küche in Köln?
Stricker: Die internationale Küche kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Köln. Schon in den 50er Jahren gab es das erste asiatische Restaurant in der Stadt. Auch die jugoslawischen Grillhäuser hatten Erfolg. Dazu kamen die ersten italienischen Restaurants. Der Boom der internationalen Küche kam aber später mit den Gastarbeitern aus Italien, Griechenland und der Türkei. Da wäre aber schon früh mehr möglich gewesen, wenn die Stadtverwaltung bei der Vergabe von Restaurantlizenzen nicht so restriktiv gewesen wäre. Man hatte wohl Angst, dass die deutsche Küche das Nachsehen haben könnte. Die Bandbreite war schon damals groß und reichte vom Imbiss bis zum Edelrestaurant. Heute ist die internationale Küche nicht mehr wegzudenken und hat weiter an Vielfalt gewonnen. Das ist ein Trend, der sich fortsetzen wird.
Das wären wir auch beim Thema Kebab aus dem Titel des Buches.
Stricker: Im Titel habe ich das Gegenstück zum Kölsch gesucht und im Kebab gefunden. Das ist ein Gericht, das fast jeder kennt und schätzt, wenn er zum Beispiel spät am Abend in der Stadt unterwegs ist und nach dem einen oder anderen Kölsch noch eine Stärkung braucht. Dabei gibt es auch hier verschiedene Varianten wie der Döner Kebab oder der Adana Kebab. Und dieses Segment entwickelt sich weiter. So schätzen die Kunden heute zum Beispiel Falafel als vegetarische Alternative. Außerdem gibt es auch schon veganes Kebabfleisch.
Welche Bedeutung hat der Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung für Köln?
Stricker: Das ist ein Trend, der noch weiter zunehmen wird. Da müssen sich die Restaurants wappnen. Viele haben schon heute vegetarische oder vegane Gerichte auf der Speisekarte. Dazu gibt es auch zunehmend rein vegane Angebote. Der Bedarf wird steigen, er wird aber nicht die Fleischgerichte verdrängen. Es geht einfach darum, für alle Leute geeignete Angebote zu schaffen.
Ein anderer Bereich ist die Gourmetszene mit den Sternerestaurants.
Stricker: Das ist in Köln eine sehr gefestigte Szene, die den aktuellen Bedarf an Fine Dining gut abdeckt, was neue Angebote nicht ausschließt. Den ersten Gourmetboom gab es schon in den 80ern. Allerdings haben nicht alle Lokale von damals überlebt. So wurde in der Altstadt aus dem „Chez Alex“ Peters Brauhaus. Insgesamt gesehen, ist Köln beim Fine Dining aber sehr gut aufgestellt, auch weil es zeitgemäß niedrigschwellig Menschen zur Gourmetküche bringt, wie dies zum Beispiel bei Daniel Gottschlichs neuem Restaurant „Puls“ der Fall ist.
Welche Bedeutung haben heute noch die typisch kölschen Gerichte?
Stricker: Da sind die Reibekuchen ein gutes Beispiel. Sie waren das erste To-Go-Fastfood in Köln und an jeder Ecke vorhanden - ein klassischer kölscher Imbiss, der an Orten wie der Salzgasse auch mit neuen Läden Erfolg hat. Klassiker wie Rheinischer Sauerbraten, Decke Bunne met Speck, Halver Hahn oder Himmel un Ääd werden auch weiter Bestand haben.
Wie sieht die Kölner Gastroszene im Jahr 2030 aus?
Stricker: Das klassische kölsche Brauhaus hat Bestand, vielleicht im gesamten Stadtgebiet auch nicht in der Fülle, wie es heute der Fall ist. Das wird weniger werden. Aber gerade in der Altstadt und an Orten wie dem Heumarkt wird die Vielzahl der Brauhäuser weiter bestehen bleiben. Der Run auf die internationale Küche hält weiter an und auch vegane Angebote werden weiter wachsen. So rückt die traditionelle Gastronomie an manchen Orten etwas nach hinten, wird aber nicht verschwinden. In Köln wird auch in 20 Jahren noch Himmel un Ääd serviert.
Service: Das Buch “Zwischen Kölsch und Kebab” gibt es für 22 Euro in ausgewählten Buchhandlungen wie bei Klaus Bittner in der Innenstadt oder bei Der anderen Buchhandlung in der Südstadt. Bestellt werden kann es auch beim Onlineshop des Autors unter: