Michas Klasse: Eine Schulklasse und 14 Nationen
In der 3c der Montanusschule trifft sich jeden Tag die Welt. Eine Spurensuche in den Familien zum Start der Interkulturellen Woche.
Burscheid. Seit 2012 ist mein Sohn Micha Schüler der Montanusschule. Inzwischen besucht er die Klasse 3c. Wie viele Eltern haben wir lange überlegt, für welche der drei Schulen wir uns entscheiden sollen. Am Ende haben wir die Schule gewählt, die am nächsten zu seinem damaligen Kindergarten lag. Ihr Ruf, die internationalste der Grundschulen zu sein, hat uns nicht geschreckt, eher ermutigt.
Als Micha dann seiner Klasse zugeteilt wurde, haben wir anfangs doch geschluckt: 24 Kinder aus 14 Nationen — ob das gutgeht? Oder muss unser Kind am Ende unter unseren politischen Grundsatzentscheidungen leiden?
Drei Jahre später schäme ich mich für diese typisch erwachsenen Gedankenspiele. Ich schäme mich, weil ich mich an keinen einzigen Fall erinnern kann, in dem Micha irgendwelche Klassenkonflikte in Verbindung mit der kulturellen Vielfalt seiner Schulkameraden gebracht hätte. Efe, Latin, Tariq, Joao und wie sie alle heißen, sie sind für ihn halt einfach Kinder.
Kinder kann man toll finden oder blöd, man kann mit ihnen streiten oder spielen. Wo sie herkommen? Wurscht. Es sei denn, die Klasse sitzt zu Beginn des Unterrichts im Begrüßungskreis und sagt in 15 verschiedenen Sprachen „Guten Morgen“. Englisch ist ihre erste gemeinsame Fremdsprache. Inzwischen kann ich mir keine bessere Klasse für Micha vorstellen.
Das ist keine naive Multikulti-Glückseligkeit. Natürlich ist auch diese Klassengemeinschaft nicht problemfrei. Aber welche wäre das schon? Es gibt Sprachschwierigkeiten, manchmal bei den Kindern, manchmal bei den Eltern. Dann redet Klassenlehrerin Catherine Efeoglu schon mal auf Türkisch mit einer Mutter. Sie ist zwar durch und durch Deutsche, aber „getürkt“, wie sie selbst schmunzelnd sagt: Ihr Mann Taner ist Türke und der frühere Vorsitzende des Integrationsrats.
Efeoglu ist glücklich mit der Zusammensetzung ihrer Klasse. „Alle Eltern kommen, sind interessiert und setzen sich für ihre Kinder ein.“ Die kulturelle Vielfalt sei „niemals im Negativen ein Thema“. Die Kinder sollten begreifen: „Das ist ein Schatz.“ Ansonsten gilt: „Wir sind die Klasse 3c und wir leben in Burscheid.“ Punkt.
Vielleicht funktioniert das nicht überall so. Vielleicht prallen die Kulturen andernorts härter aufeinander — bei den Kindern oder bei den Eltern. Mag sein. Aber längst beschäftigt mich eine Frage viel mehr: welche familiären Lebenswege wohl diese internationale Klassengemeinschaft zusammengeführt haben. Eine meiner Lieblingsthesen als Journalist ist schon lange, dass sich das Große (Weltgeschehen) immer auch im Kleinen (Leben vor Ort) wiederfindet.
Das Interkulturelle Fest am Wochenende und der Start der bundesweiten Interkulturellen Woche am Sonntag sind für mich Anlass, dieser Frage nun endlich nachzugehen. In den nächsten Wochen werde ich nach und nach einige der Familien besuchen und mir erzählen lassen, wie sie nach Burscheid gefunden haben — und damit auch in „Michas Klasse“. So soll die Serie dann auch heißen.