Michas Klasse: Joao und der geteilte Urlaub zwischen Norden und Süden

Den Sommer verbringt er immer in Portugal — in diesem Jahr verbunden mit einem besonderen Fest.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Gerade einen Monat ist es her, dass Joaos Mutter geheiratet hat — „natürlich in Portugal“. 120 Gäste, ein großes Fest zur Urlaubszeit. Dann sind der Achtjährige, sein Bruder Mateus (6), Mutter Sonia (36) und ihr Mann Francisco (42) ohnehin immer am westlichen Rand der iberischen Halbinsel. Mit einer klaren Aufteilung: Die Familie von Sonia Sousa-Guerreiro stammt aus dem Norden Portugals, Ehemann Francisco ist im Süden geboren. Also wird auch der Urlaub geteilt: zwei Wochen hier, zwei Wochen da.

Mal hier, mal da — das hat auch viele portugiesische Familien und ihr Verhältnis zu Deutschland geprägt, seit 1964 das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Portugal geschlossen worden war. Der Vater von Sonia Guerreiro war in dem kleinen Dorf bei Kassel der erste Portugiese und half beim Autobahnbau mit. Als seine Tochter Sonia geboren wurde, konnte sie aber schon im Kreis portugiesischer Kinder groß werden, ohne ein Wort Deutsch sprechen zu müssen. Das blieb auch so, bis sie mit sieben Jahren nach Portugal zurückkehrte.

Seit elf Jahren lebt die heute 36-Jährige jetzt wieder in Deutschland. Ihrem damaligen Freund ist sie gefolgt, beide Kinder sind in Deutschland geboren. Mit ihrer portugiesischen Ausbildung als Sekretärin konnte sie aber hier aufgrund der anfänglichen Sprachschwierigkeiten nichts anfangen. Inzwischen arbeitet sie bei der Diakonie-Sozialstation und befindet sich in der Ausbildung zur Altenpflegerin.

Ihr Mann Francisco war 17 Jahre alt, als er erstmals im Urlaub deutschen Boden betrat. Er wollte seinen Vater besuchen, der insgesamt 35 Jahre bei Goetze beschäftigt war. Dass er damals geblieben ist, hat er dem Vater von Miguel Colaco („Frisör Migu“) zu verdanken. „Der hat meinem Vater ins Gewissen geredet und gesagt, der Junge bleibt hier. Er hat unten keine Zukunft.“

Alles hat Francisco Guerreiro in jenem Jahr zurückgelassen: die vertraute Sprache, die Freunde — und die Brieftauben, sein Hobby, in das er viel Geld investiert hatte. Heute angelt er stattdessen und sagt: „Deutsch habe ich von Polen und Russen gelernt.“ Mit denen hat er während seiner Beschäftigung bei Vaillant in Remscheid zusammengearbeitet.

1994, sein Vater hatte Goetze gerade verlassen, fing Sohn Francisco auch bei dem Burscheider Unternehmen an. Da war es schon an die Engländer verkauft und hieß T & N. Bis heute verdient er sein Geld in Werk 2 von FM, seit 20 Jahre inzwischen.

Die längere Zeit ihres Lebens wohnen beide jetzt in Deutschland. Zwar sind sie aufgrund des Freizügigkeitsgesetzes der EU Portugiesen geblieben wie die Kinder, aber Deutschland fühlen sie sich näher. Mittlerweile gibt es mehr Deutsche im Freundeskreis, auch wenn der portugiesische Kulturverein lange eine feste Anlaufstation war. Aber der Verein hat es zunehmend schwerer. Die zweite Generation braucht ihn nicht mehr. „Man versucht sein Bestes zu geben, aber die Leute sind nie zufrieden“, sagt Guerreiro, der selbst eine Zeit im Vorstand mitgearbeitet hat.

Dass die beiden Kinder auch Portugiesisch sprechen können, ist dem frischen Ehepaar wichtig. Aber beim jährlichen Urlaub in der alten Heimat soll es bleiben. Die Freunde ihrer Generation, die zurückgegangen sind, haben es schwer. „Von der Krise“, sagt Sonia Guerreiro, „gibt es keine guten Nachrichten.“