Musicalische Academie: Die hohe Kunst des spontanen Einspringens
Wie Sänger Ralf Riehl und Moderator Markus Sauer unter widrigen Umständen zur Höchstform auflaufen.
Burscheid. Dass Solisten ausfallen, kommt immer mal wieder vor — aber in dieser zeitlichen Enge ist das Problem Academie-Dirigent Wolfgang Georg bisher noch nicht untergekommen. Am Samstag noch hatte Bass Lucas Singer in der Generalprobe trotz aufziehender Halsentzündung wie seit Monaten geplant den Osmin gegeben, am Sonntagmorgen aber war es um seine Stimme geschehen.
Der Absage-Anruf ihres einstigen Studenten erreichte Georgs Ehefrau Mechthild, ihres Zeichens Gesangs-Professorin und Dekanin an der Musikhochschule Köln, gegen 11 Uhr. Den Gepflogenheiten der Branche entsprechend, lieferte Singer den Lösungsvorschlag zum Glück gleich mit: Ralf Riehl, inzwischen am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier engagiert, hatte die Opernrolle schon in Juli in Sondershausen (Thüringen) gesungen. „Das war unser Glück“, sagt Georg, der von dem Besetzungswechsel erst erfuhr, als seine Frau schon alles unter Dach und Fach gebracht hatte.
Glück auch, dass Riehl eine ähnliche Statur wie Singer hat, sodass er problemlos in dessen von der Oper Wuppertal ausgeliehenes Kostüm schlüpfen konnte. Kein Glück, sondern großes Können aber dann, wie Riehl am Nachmittag eine kurze Verständigungsprobe mit Dirigent Georg und die folgende Anspielprobe mit dem völlig überraschten Orchester genügten, um seine Rolle in das Konzept des Festkonzerts einzupassen und sowohl musikalisch als auch darstellerisch mit Bravour zu absolvieren.
Positive Folge der Belastungsprobe aus Sicht der Academie-Vorsitzenden Anke Wischer: „Das Orchester war bei den Anspielproben noch nie so gut wie diesmal, weil alle wachgerüttelt waren und gemerkt haben, der Drops ist noch nicht gelutscht.“
Ähnlich nervenstark musste auch Moderator Markus Sauer sein. Eigentlich sollte seine Sprechrolle des Bassa Selim im Dialog mit den Sängern erfolgen, doch dann zeigte sich, dass dieser Plan in der Kürze der Zeit nicht zu realisieren war. In der Woche vor dem Konzerttermin baute Sauer, dem Orchester seit 1986 als Kontrabassist verbunden, seine Moderatorenrolle aus und webte aus gewitzten Texten und schauspielerischer Begabung einen roten Handlungsfaden, der durch den ganzen Abend trug.
Einmal mehr stellte der Jurist damit sein Moderationstalent unter Beweis, intelligente Ironie, Spontaneität und Bühnenpräsenz miteinander zu verknüpfen, ohne sich aufdringlich in den Mittelpunkt zu stellen. Schon bei der Aufführung der „Zauberflöte“ hatte die Academie auf den Tag genau sechs Jahre zuvor auf diese Befähigung aus den eigenen Reihen zurückgegriffen. Dass Sauer inzwischen außerhalb der Academie auch mit seinem philosophischen Chanson-Kabarett für Furore sorgt, überrascht daher nicht wirklich.