Kirchenmusik Musikalische Gipfeltour zu einem Herzenswerk
Erstmals führt Silke Hamburger mit Kantorei und Chorgemeinschaft Bachs Matthäus-Passion auf.
Burscheid. Silke Hamburger ist 17 Jahre alt, als sie in ihrer Heimatstadt Bad Kreuznach das erste Mal in der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach mitsingt. Ein halbes Jahr später steht sie im Altenberger Dom und ist an der Aufführung der h-Moll-Messe von Bach beteiligt. Während sie auf Dirigent Volker Hempfling achtet, schießt es ihr durch den Kopf: „Das will ich auch.“
Wenn die Kirchenmusikerin heute von den beiden Bach-Werken erzählt, von deren Bedeutung für die Geschichte der Kirchenmusik und ihre eigene Berufswahl, schließlich auch für die Aufführungspraxis von Kantorei und Chorgemeinschaft, greift sie bildlich nach dem Höchsten. Vom Mount Everest ist dann die Rede und vom Mont Blanc. Erstmals in ihrem Berufsleben macht sie sich jetzt auf, diese Gipfeltour verantwortlich zu leiten: mit der Aufführung der Matthäus-Passion am 13. März.
Reife, Lebenserfahrung, auch tragischer Art, setzt das voraus, glaubt sie. Ist sie jetzt so weit, mit 50 Jahren? Oder kann man diesem grandiosen Werk ohnehin nie so ganz gerecht werden? Als Konzert im eigentlichen Sinn ist es nicht gedacht gewesen, eher als eine Art Gottesdienst. Bei der Uraufführung am Karfreitag 1727 in der Leipziger Thomaskirche wurde es durch eine ausführliche Predigt unterbrochen.
Die komplette Leidensgeschichte Jesu, wörtlich zitiert nach den Kapiteln 26 und 27 des Matthäus-Evangeliums in der Luther-Übersetzung, spiegelt sich in den Rezitativen wider. Darin verwoben musikalische Kommentare des Geschehens; Arien, die nach der Bedeutung für die heutigen Zuhörer fragen; Choräle als Einbeziehung der Gemeinde. Der Stoff: voller dramatischer Wucht mit Verrat, Verleumdung, Schuld, Vergebung und Auferstehung. Die Form: fast eine Oper, mit Rollenverteilungen und auch für je zwei Chöre und Orchester konzipiert.
Die Herausforderung: die Zuhörer emotional zu packen, ohne sich selbst im Strudel der Gefühle zu verlieren. „Sonst kommt der nächste Ton nicht mehr, wie er soll.“ Nach fünf Jahren gemeinsamer Arbeit haben Kantorei und Chorgemeinschaft diesen Grad der Professionalität erreicht, glaubt Hamburger.
Aber wer zur Gipfeltour aufbrechen will, der muss erst einmal dafür sorgen, dass das Basislager vorbereitet ist. Das erdet. Seit dem vergangenen Sommer laufen Überlegungen, wie man die über 90 Sänger und Musiker überhaupt in der Kirche unterbekommt. Die Podeste von Kantorei und Chorgemeinschaft, zum Glück vor Jahren kompatibel gefertigt, sind schon seit vergangenem Freitag im Altarbereich aufgebaut — trotz noch ausstehender Gottesdienste und Hochzeit. Und weil drei Stunden Stehen eine Zumutung für die Chöre wäre, sind quietschfreie Bierbänke organisiert worden, die nun noch umsturzsicher montiert werden müssen. Keine Gipfeltour kann etwas werden ohne angemessene Ruhepause.