Schreiben gegen den Krebs

Am Samstag feiert Christiane Rühmann ihren 60. Geburtstag. Der Brustkrebs hat sie verändert.

Foto: Doro Siewert

Burscheid. Christiane Rühmann hat Brustkrebs. Als sie erfährt, dass sie nur noch zwei Jahre leben soll, ist sie empört. „Das habe ich nicht eingesehen. Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wann ich zu sterben habe“, erklärt die Burscheiderin. Am Samstag feiert die Autorin und Malerin ihren 60. Geburtstag — zehn Jahre nach der tödlichen Diagnose.

Dass Christiane Rühmann heute strahlend durch ihr Leben tänzelt und gute Laune verbreitet, hat sie ihrer eigenen Einstellung zu verdanken. „Natürlich habe ich Schmerzen. Aber wenn man immer daran denkt, geht es einem auch schlecht“, sagt sie.

Christiane Rühmann ist gerade 20 Jahre alt, als man den Gewebekrebs in ihrem Bein entdeckt. „Damals habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Das war kein tödlicher Krebs“, erinnert sie sich.

Ein Jahr später zieht die gebürtige Wermelskirchenerin nach Burscheid. Fast 30 Jahre arbeitet die zweifache Mutter in einer Fleischwarenfabrik, bis diese schließen muss, weil kein Nachfolger gefunden wird. „Ich war arbeitslos, mein Mann ist gestorben und dann bin ich wieder mal an Krebs erkrankt. Da waren meine Töchter acht und 15 Jahre alt“, sagt sie nachdenklich.

Ihre Chancen, den Brustkrebs zu besiegen, liegen bei 35 Prozent. Bis 2007 muss sie sich immer wieder Operationen und Therapien unterziehen. Doch Rühmann denkt nicht ans Aufgeben: „Ich dachte, ich kann doch noch nicht sterben, ich habe meinen Kindern noch gar nicht alle meine Geschichten erzählt.“

In Krankenhäusern und Rehazentren beginnt sie, Alltagserlebnisse, Kurzgeschichten und Gedichte in eine Kladde zu schreiben. Pfleger und Patienten sind begeistert; drängen sie, ein Buch zu schreiben. Zaghaft stellt Rühmann einige Texte ins Internet. „Daraufhin hat mich ein Journalist angerufen und gefragt, ob er mir einen Blog einrichten könnte. Und dann habe ich wöchentlich Texte hochgeladen.“

Einladungen zu Lesungen und Festivals lassen nicht lange auf sich warten. 2008 wird sie Mitglied einer Mülheimer Künstler- und Autorengruppe und tourt mit ihren Texten bis zur Nordsee. Inzwischen hat sie drei Taschenbücher veröffentlicht. In diesem Jahr ist ein weiteres Buch geplant. „Das ist für mich zum Hobby geworden“, erklärt Rühmann.

Um ihre in der Chemotherapie stark angegriffenen Muskeln wieder zu aktivieren, beschäftigt sie sich mit Malerei. Ihre ganze Wohnung ist mit eigenen Werken gefüllt. Und der Krebs? „Ich lebe mit ihm in einer Körper-WG. Er darf mit mir alt werden. Ich habe ihn angenommen. Dann weiß man anders damit umzugehen“, sagt Christiane Rühmann. Das Wort Krebs gefalle ihr eigentlich gar nicht: „Ein Krebs krabbelt am Strand.“ Sie spricht lieber von ihrer „irritierten Gesundheit“.

Ihre Erkrankung hat sie verändert — im positiven Sinne: „Ich bin mental stärker geworden, habe mich von falschen Freunden getrennt und viele ehrliche Freunde gewonnen.“

Ein paar Stunden pro Woche arbeitet sie als Sekretärin bei einem Arzt, der unter anderem medizinische Brustpigmentierungen anbietet. Sie war einmal seine Patientin. „Den Betroffenen kann ich etwas aus eigener Erfahrung mitgeben. Ich bin 100 Prozent erwerbsunfähig, ich könnte mich ausruhen. Aber das will nicht“, erklärt Rühmann.

Mittlerweile hat sie einen zweijährigen Enkel. In die Zukunft blickt sie positiv: „Ich schippere jetzt in einen neuen Lebensabschnitt. Ich bin ein sehr zufriedener Mensch geworden. Wenn ich darf, bin ich in zehn Jahren immer noch hier.“