Sie tanzen Hip-Hop zur Versöhnung
Die „Urban Dance Crew“ besteht aus jungen Kosovaren und macht auf ihrer ersten Auslandsreise Station in Hilgen.
Wermelskirchen/Burscheid. Das Stephanus-Gemeindezentrum ist keine Bühne von Welt. Nicht die modernste Musikanlage. Keine Pyrotechnik. Kein Millionenpublikum. Das graue Gebäude am Kirchweg in Wermelskirchen-Neuenhaus ist nur ein typisches Gemeindezentrum. Und doch tanzte die „Urban Dance Crew“, als wäre dies ihr großer Durchbruch.
Zwölf junge Männer und Frauen boten dort am Dienstagabend eine mitreißende Show. Zu Hip-Hop-Songs wirbelten sie durch den Raum. Stets synchron, stets energiegeladen und sogar trotz aller Schweißperlen auf der Stirn mit einem Lächeln und einem Witz auf den Lippen.
Für die zwölf Tänzer, die die Abfolge ihrer Choreografie scheinbar auch im Schlaf abspulen könnten, war es ein besonderer Auftritt. Die jungen Erwachsenen haben zum ersten Plan überhaupt ihre Heimat Kosovo verlassen, um ins europäische Ausland zu reisen. Es war ein langes Ringen, wie die Presbyteriumsvorsitzende Dorothea Hoffrogge berichtete. „Vor acht Wochen war noch nicht klar, ob es wirklich klappt.“ Die Visa-Anträge lagen, wie viele Tausende andere aus dem krisengeschüttelten Land, noch in der Bearbeitung.
Die Evangelische Kirchengemeinde Hilgen-Neuenhaus hat ihre Verbindungen zum Auswärtigen Amt spielen lassen. Und so bewirken können, dass die Jugendlichen für rund eine Woche nach Deutschland einreisen können. Das war nur auf Einladung möglich. Und dann gab es an der Grenze Probleme. Serbien ließ die Reisegruppe nicht passieren. Ein Umweg über Albanien verzögerte die Ankunft in Trier, der ersten Station, um Tage.
Die „Urban Dance Crew“ kommt aus der Stadt Mitrovice, einer Grenzstadt an Serbien. In der Diakonie Kosova haben sich die Jugendlichen zusammengefunden und ihre Leidenschaft für den Tanz entdeckt. Bernd Baumgarten, der die Tänzer als Leiter der Einrichtung begleitete, ist stolz auf ihre Entwicklung. „Wir sind Friedensbotschafter. Im Kosovo kommen verschiedene Ethnien zusammen. Wir leisten Versöhnungsarbeit“, sagt er.
Dorothea Hoffrogge sind die Bilder des Kosovo-Kriegs noch sehr präsent. Den anderen Zuschauern im Saal wurden sie wieder in Erinnerung gerufen. Während des Auftritts der „Urban Dance Crew“ wurden Fotos von Kampfeinsätzen, zerbombten Städten, Panzern und trauernden Müttern auf die Wand projiziert. Das gab den marschierenden Bewegungen und dem Salutieren der Tänzer einen bitteren Beigeschmack, der ohne die Bilder gar nicht so sehr aufgefallen wäre. Nun wurde klar: Die Gruppe ist im Krieg geboren oder aufgewachsen.
Die Spannungen zwischen Serben und Albanern gehören für die Tänzer zum Alltag. Die Bevölkerung hat ein Durchschnittsalter von 25 Jahren. Es gibt wenig Arbeit, viele Bürger sind mittellos. Eine Reise nach Deutschland hätte sich auch die Tanzgruppe nicht leisten können. Spenden der Tente-Stiftung, der Lux-Stiftung, der Sparkasse Wermelskirchen und weiterer Sponsoren haben es erst möglich gemacht.
Die dortige Diakonie bangt jedes Jahr aufs Neue um ihre Existenz, sie ist auf Spenden aus Deutschland angewiesen. Man leiste wichtige Arbeit, so Bernd Baumgarten. In der Einrichtung werden Jugendliche auch ausgebildet. Es gibt einen Kindergarten und Freizeitangebote, um der Jugend Halt zu geben.
„Es bestehen viele Vorurteile gegenüber dem Kosovo“, sagte Baumgarten, der selbst aus Deutschland kommt und der Arbeit wegen in den Kosovo ausgewandert ist. Er wie auch Dorothea Hoffrogge hofft, dass die Begegnung in der Kirchengemeinde Hilgen-Neuenhaus Früchte trägt. Freundschaften seien seit Sonntag bereits entstanden.
Am Montag tritt die Gruppe den Heimweg an. Bis dahin steht noch einiges auf dem Programm: eine Fahrt nach Köln, ein Besuch des Wuppertaler Zoos und eine Fahrt mit der Schwebebahn. Und am Samstag ist die „Urban Dance Crew“ noch einmal in Burscheid zu sehen. Dann treten die Kosovaren beim Nachbarschaftsfest an der Wohneinrichtung des Vereins „Die Kette“, Kölner Straße 29 in Hilgen, auf. Die Erlöse des Fests sollen in das Projekt eines Hilgener Treffpunkts im alten Bahnhof fließen.