Theater stärkt den Mut Behinderter

Friedhelm Kissing und Daniel Walther aus Burscheid spielen Shakespeare-Stück.

Burscheid. Scheinbar ganz gelassen sitzen sie auf den Stufen in der Kattwinkelschen Fabrik (Katt): Die Schauspieler Daniel Walther und Friedhelm Kissing der ungewöhnlichen Gruppe Theater-Mut. Wie sich herausstellt, ist die Zeit von 16 bis 18 Uhr nur die sogenannte Ruhe vor dem Sturm. Danach geht es nämlich auf der Bühne voll zur Sache.

Zuerst als Pyramus, dann als Zettel, der Esel und zwischendurch als einer der Handwerker wirbelt der stark sehbehinderte Daniel Walther zwischen den anderen Darstellern des Stücks „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare umher.

Der 28 Jahre alte Burscheider ist mit Begeisterung dabei, seit im Sommer 2011 die Proben begannen und die Rollen verteilt wurden. Aus der 10-köpfigen Wohngemeinschaft, in der Walther seit mehreren Jahren lebt, ist er der einzige, der seine Fähigkeiten in die Gruppe TheaterMut einbringt.

Bereits vor zwei Jahren startete das Heilpädagogische Zentrum des LVR in Burscheid-Hilgen das Projekt als Unterstützung für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung. Unter der Leitung von Sonja Weiblen (stellvertretende fachliche Direktorin) und der Regie von Bardia Rousta, (Theaterexperte für integratives Theater aus Solingen) entstand nun das fantasievolle Spiel um Beziehungen zwischen den Geschlechtern in einer Form, die trotz mancher Kompromisse ihrem klassischen Vorbild in nichts nachsteht.

Daniel Walther erzählt begeistert von seinen Erfolgserlebnissen beim Einstudieren der Rollentexte. Diese kann er natürlich nicht anhand eines üblichen gedruckten Skriptes erfassen. Er speichert seine Texte mittels wiederholter Sprechübungen und durch das Abhören von Kassetten-Tönen. Sein Humor und seine Spontanität helfen ihm auch, flexibel auf die Hilfen seiner Mitspieler zu reagieren.

Seine „Standpunkte“ auf der Bühne, die Kostümwechsel zum richtigen Zeitpunkt, die leisen Worte, die ihm den Einsatz signalisieren. Das alles gibt ihm nach eigener Aussage ein Gefühl der Sicherheit und Anerkennung. Er erlebt seinen ersten öffentlichen Auftritt und bestätigt mit einem Lachen, dass es ihm persönlich sogar angenehm ist, dass er nicht sehen muss, ob das Publikum begeistert ist oder kritische Gesichter zeigt.

Friedhelm Kissing , der zweite Burscheider auf der Bühne, kann seinen tiefen Bass sehr gut den Gestalten des Theseus und dem Elfenkönig Oberon verleihen. Wie alle anderen Mitwirkenden wurde auch der 50-Jährige für mehrere Figuren besetzt. In der komplizierten Verwechslungs-Geschichte rund um die Hochzeit des Königs von Athen mit seiner Ippolyta verwischen sich Realität und Traum. So überschneiden sich manche Figuren in ihrem Charakter.

Friedhelm Kissing gehört einer offenen Wohngemeinschaft an, die in der Bürgermeister-Schmidt-Straße ihr Zuhause hat. Er wurde in Düsseldorf-Reisholz geboren, lebt aber bereits seit einigen Jahren in Burscheid.

In seiner direkten Art erzählt er von seiner Freude, auf der Bühne wichtige Personen darstellen zu dürfen. Er kann sich Inhalt und Text aus Skriptunterlagen erarbeiten. Damit Ausdruck und Darstellungsart möglichst eindrucksvoll „ankommen“, nahm sich HPZ-Mitarbeiterin Kerstin Koppe die Zeit und übte mit Kissing auch außerhalb der vorgegebenen Probetage in seiner Wohnung. Da er bereits in der ersten Inszenierung in einem Weihnachts-Special dabei war, sind ihm die Szenarien schon gut bekannt.

Jeden Donnerstag kommt die gesamte Truppe in einem Raum der Katt zusammen und ist eine Woche vor der Premiere natürlich im Count-down-Fieber. Bis zur Aufführung stehen noch zwei zusätzliche Proben sowie die Generalprobe an.

Am 29. Juli geht dann der Vorhang auf für zwölf Akteure, ergänzt und bereichert um Musik- und Tanzgruppen aus Katt-Ensembles plus einem Profi-Rapper. Weil der Regisseur ebenfalls kostümiert in drei Rollen agiert, sagt Daniel Walther auch im Namen aller anderen Mitspieler: „Wir haben immer einen Helfer in unserer Nähe, das macht uns wirklich Theater-Mut.“