BURSCHEID Verkehrswacht setzt auf Vorbeugung
Polizistin Karoline Strauch-Schmitz setzt Real- und Hauptschülern die Rauschbrille auf.
Sprüche klopfen, das ist das eine. „Das ist doch einfach!“, sagte Melia Eminoglu und schüttelte den Kopf. Dass ihr Klassenkamerad seine Schwierigkeiten hatte, einen Nagel in einen Baumstamm zu schlagen, das konnte die 14-Jährige gar nicht nachvollziehen. Mit ihrem Vater hätte sie so etwas schon einmal gemacht, erzählte die Hauptschülerin. Ob sie dabei auch eine Rauschbrille getragen hatte? „Nein“, sagte Melia Eminoglu. Wie viele der anderen Schüler, die sich gestern am Stand der Verkehrswacht des Rheinisch-Bergischen Kreises betätigten, unterschätze auch sie den Einfluss des Alkohols auf das Sehvermögen.
Mit der Rauschbrille auf der Nase war die scheinbar einfache Aufgabe schon nicht mehr so leicht zu bewältigen. Die Sicht war verschwommen und eingeschränkt. Die 14-Jährige sah doppelt. Den kleinen Nagel zu erkennen, ihn und nicht den Daumen mit dem Hammer zu treffen, das war eine Herausforderung. „Ich seh das nicht“, rief die Hauptschülerin, während ihre Klassenkameraden kicherten.
„Heftig, oder?“, sagte Klaus Rüggeberg. Der Ehrenamtler der Verkehrswacht achtete darauf, dass sich niemand im simulierten Rausch verletzte. „So wirken dreieinhalb Gläser Bier“, sagte er den Schülern, die mit einem ungläubigen „Echt jetzt?“ antworteten. Klaus Rüggeberg nickte bestätigend. Er muss es wissen. Seit vielen Jahren ist er im Dienste der Verkehrssicherheit unterwegs und berichtet Bürger des Rheinisch-Bergischen Kreises — sei es das Kindergartenkind oder die Seniorin —, wie man sich im Straßenverkehr verhält.
Julia Schmitz ist eine der Jüngeren im Verein. Sie bediente gestern auf dem Schulhof der Hauptschule den Reaktionstest. Sie rede sich den Mund „fusselig“, soll die Krankenschwester später zu ihrer Mutter gesagt haben, die bei der Verkehrswacht des Rheinisch-Bergischen Kreises das Sagen hat. Als Geschäftsführerin kümmerte sich Karoline Strauch-Schmitz auch gestern darum, dass die Veranstaltung gut über die Bühne ging. Das es schwierig ist, die Jugend zu erreichen, das weiß sie sehr gut.
Die Schüler, die sich gestern beispielsweise unter Anleitung von Karola Krause auch samt Rauschbrille auf ein Kettcar gesetzt hatten, empfanden die Aktion als großen Spaß. Sie lachten viel, machten Witze. Besser als Unterricht. Ob sie den ernsten Hintergrund verstanden haben? Karoline Strauch-Schmitz zuckte mit den Schultern. Die Ehrenamtler der Verkehrswacht würden ihr Bestes geben, die Jugend zu sensibilisieren.
Als Polizeibeamtin hatte Karoline Strauch-Schmitz in ihrer Laufbahn schon viel gesehen. Als Geschäftsführerin der hiesigen Verkehrswacht möchte sie dafür sorgen, dass es zu manch einer schlimmen Situation gar nicht erst kommt. Sie setzt auf Prävention. Und zwar auf erlebbare, auf greifbare. Podiumsdiskussionen, wie sie landesweit veranstaltet werden, seien aus ihrer Sicht nicht das richtige Mittel.
Die meisten Unfälle, so betonte sie, seien Folgen von Unachtsamkeit. „Es hat mit Ablenkungen zu tun. Anders ist es nicht erklärbar, wenn beispielsweise ein Auto in ein Stauende reinrast“, so Karoline Strauch-Schmitz. Sie nennt die schweren Unfälle auf der Autobahn A1, die immer wieder die lokale Nachrichtenlage bestimmen, als Beispiele.
Karoline Strauch-Schmitz
Wenn sich ein Mensch im Straßenverkehr rücksichtlos verhält, dann sei das keine Momentaufnahme, kein kleiner Ausrutscher, wenn man gerade aufgewühlt oder gestresst ist. Aus ihrer 30-jährigen Berufserfahrung heraus sagt Karoline Strauch-Schmitz, dass bereits im Elternhaus einiges versäumt worden sein muss. Rücksichtsvolles und vorausschauendes Verhalten, das fange schon im Kindesalter an und müsse gefördert werden.
Die Geschäftsführerin muss heute noch den Kopf schütteln, wenn sie an einen der vergangenen Termine in Wermelskirchen denkt. Am Kindergarten St. Michael, direkt in der Innenstadt, wollte sie gerade mit einer Gruppe Kinder einen Spaziergang machen, als ihr gleich mehrere Autos auffielen, die auf einer schraffierten Fläche standen. Die Fahrzeugführer unterhielten sich angeregt. „Mit der Zigarette im Mund“, so die Polizistin. Sie wies die Autofahrer darauf hin, dass sie da nicht stehen dürfen, erntete aber nur abfällige Bemerkungen. Es tat sich nichts. Erst auf den Hinweis hin, dass sie Polizeibeamtin sei und ihre Kollegen im Streifenwagen dazu rufen könnte, die dann Strafzettel schreiben, bewegte sich was. Ganz langsam setzen sich die Fahrer in ihr jeweiliges Auto.
Es sind solche Situationen, die Karoline Strauch-Schmitz ärgerlich stimmen. Ebenso, wenn sie hört, dass Jugendliche vom Smartphone abgelenkt in Köln vor die Straßenbahn laufen. Oder wenn sie sieht, wie wackelig viele Kindergartenkinder auf dem Tretroller sind. Oder wie unbedarft Fahranfänger mit Alkohol umgehen. Karoline Strauch-Schmitz hat selbst fünf Kinder. Zwei der älteren unterstützen sie bei ihrer Tätigkeit für die Verkehrswacht. Früh haben sie gelernt, wie man sich im Straßenverkehr verhält. „Man braucht Kontinuität in der Verkehrserziehung“, so Strauch-Schmitz. „Es ist wie mit der Ersten Hilfe. Es reicht nicht aus, wenn man es einmal im Leben gelernt hat.“