Versicherung zahlt für Ameisenjäger
Das kontaminierte Fertighaus am Egger Weg ist schon fast abgerissen.
Burscheid. Ameisen können Häuser abreißen — zumindest wenn sie Hilfe von einem Kammerjäger bekommen. Das bestätigt eine fast unglaubliche Geschichte, die sich zurzeit im Neubaugebiet Rötzinghofen ereignet.
Dort wird ein Haus abgerissen, was erst vor zwei Jahren erbaut und bezogen wurde. Abriss und Neubau muss die Versicherung des Schädlingsbekämpfers bezahlen.
Eine Familie aus Burscheid hatte am Egger Weg ein Fertighaus gebaut. Doch kurz nach dem Einzug bemerkten sie, dass auch Ameisen sich in ihrem neuen Haus sehr wohlfühlen. Also riefen sie einen Kammerjäger. Was der genau unternommen hat, um die Ameisen zu vertreiben, ist unklar.
Als die Familie aus dem Urlaub zurückgekommen ist, soll ihnen ein unangenehmer Geruch aufgefallen sein. Ein Gutachten soll die schlimme Vermutung bestätigt haben: Die Bekämpfungsmittel haben sich im ganzen Haus verteilt und sind gesundheitsschädlich. Das Haus muss abgerissen werden.
„Ich bin seit 30 Jahren in diesem Beruf tätig. Aber ein neues Haus habe ich noch nie abgerissen“, sagt Günter Simon vom Unternehmen SOP Abrisstechnik. Sein Auftraggeber ist der Anwalt der betroffenen Familie. Weil der Fall so ungewöhnlich ist, hat er sich auch von der Versicherung, der er die Rechnung ausstellen soll, noch mal bestätigen lassen: Das neue Fertighaus soll abgerissen werden.
Die Betriebshaftpflichtversicherung des Schädlingsbekämpfers übernimmt die Rechnung — und wird wahrscheinlich darauf sitzen bleiben. Denn Regressansprüche hat die Versicherung nur, wenn dem Kammerjäger Absicht nachgewiesen werden kann. Selbst im Falle grober Fahrlässigkeit — und die dürfte vorliegen, wenn ein komplettes Haus wegen kleiner Ameisen abgerissen wird — zahlt die Haftpflichtversicherung.
Auch für Werner Steinheuser hat dieser Fall eine neue Dimension, doch er kennt ähnliche Geschichten: „Immer mehr schwarze Schafe geben sich als Kammerjäger aus, ohne ihr Handwerk gelernt zu haben. Es reicht nicht, an die Bekämpfungsmittel zu kommen“, sagt der Vorsitzende des Schädlingsbekämpferverbandes Nordrhein-Westfalen.
So ist vor zwei Jahren ein Haus in Bergisch Gladbach mehrere Tage unbewohnbar gewesen, weil ein selbst ernannter Kammerjäger Wühlmäuse mit Ratten verwechselt hatte. Am Egger Weg geht Steinheuser davon aus, dass Spritzmittel eingesetzt wurden. „Wenn Pulver verwendet worden wäre, müsste die Menge so groß gewesen sein, dass uns das Pulver jetzt beim Abriss um die Ohren fliegen würde.“
Ein Schock war dieser Fall auch für Stefan Kittner. Denn als bekanntwurde, dass ein „regionaler Schädlingsbekämpfer“ für den Abriss verantwortlich sei, waren seine Auftraggeber besorgt: „Mich haben Kunden angerufen, ob ich den Termin wahrnehmen kann, oder schon Insolvenz angemeldet habe“, sagt Kitter.
Die Familie, deren neues Haus abgerissen werden musste, wohnt zurzeit in einer Mietwohnung in Burscheid. Ob und wann sie diese zurück an den Egger Weg kann, ist unklar. Aufgegeben haben sie aber offensichtlich noch nicht: Der über ihren Anwalt erteilte Abrissauftrag umfasst nur das Haus selbst. „Der komplette Keller ist davon ausgenommen. So könnte recht schnell wieder ein Fertighaus an dieser Stelle stehen“, sagt Günter Simon.