Schiedsmann für St. Tönis Ex-Schulleiter hat ein Talent fürs Schlichten

St. Tönis. · Als Schiedsmann versucht Clemens Braun streitende Parteien zu versöhnen, ohne dass es ein Gerichtsurteil braucht.

 Einst war Clemens Braun (66) Lehrer und Schulleiter, jetzt ist er Schiedsmann für St. Tönis.

Einst war Clemens Braun (66) Lehrer und Schulleiter, jetzt ist er Schiedsmann für St. Tönis.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Vor einem halben Jahr ist aus dem Haus von Clemens Braun ein Amt geworden, ein Schiedsamt. So steht es auf dem offiziellen Schild mit dem Wappen des Landes Nordrhein-Westfalen, das an der Wand neben der Haustür der Familie hängt. „Das ist die kleinste Amtseinheit, die es gibt“, erklärt Clemens Braun, und man merkt ihm an, dass er ein bisschen stolz ist auf sein kleines Amt.

Seit April ist der pensionierte stellvertretende Schulleiter der Mönchengladbacher Gesamtschule Hardt als Schiedsmann tätig. Eine Aufgabe, die der 66-Jährige gerne angenommen hat. „Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn schon häufig mit Menschen am Tisch gesessen, die unterschiedliche Interessen hatten“, sagt Braun, der gerne Menschen zusammenbringt und Gespräche leitet. Die Autorität, die der ehemalige Lehrer ausstrahlt, kommt ihm sicher zugute, wenn es darum geht, die Fäden in der Hand zu halten.

Nachbarn sprachen nach
40 Jahren wieder miteinander

Wenn es gelingt, Menschen zu versöhnen, ist das für den Schiedsmann ein toller Erfolg, berichtet er. „Ich hatte schon einen Fall, bei dem die Bewohner eines Doppelhauses seit 40 Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben“, erzählt der St. Töniser. Dass die verfeindeten Nachbarn dann doch gemeinsam bei ihm am Tisch saßen und nach dieser langen Pause wieder miteinander sprachen, war ein großes Ereignis. Ein Baum, der in den Nachbargarten wuchs, war es, der dazu geführt hatte, dass sich der eine Nachbar über den anderen beim Schiedsmann beschwerte.

Zu sehr darf Braun nicht ins Detail gehen, denn als Schiedsmann ist er zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aber er lud beide Parteien zu sich nach Hause ein, setzte sich mit ihnen an den Esstisch, und gemeinsam einigten sich die Männer darauf, dass der Baum vom Besitzer zurückgeschnitten wird. „Es geht immer darum, einen Konflikt aus dem Weg zu räumen, und nicht darum, Recht zu sprechen“, sagt der 66-Jährige. Auch maße er sich kein Urteil darüber an, ob die Menschen, die zu ihm kommen, das Problem nicht auch untereinander hätten regeln können – wenn sie nur einfach mal miteinander sprechen würden. „Es gibt immer Gründe, warum das nicht geht, und eine neutrale dritte Person die bessere Lösung ist“, sagt Braun.

Schiedsleute, die in anderen Regionen auch Friedensrichter heißen – eine Bezeichnung, die Braun noch besser gefällt –, schlichten beim Streit unter Nachbarn, bei Hausfriedensbruch, Beleidigungen, Verleumdungen, bei der Verletzung des Briefgeheimnisses, leichter Körperverletzung und Sachbeschädigung mit geringem Schaden. Polizei und Gerichte sollen über diesen „kleinen Dienstweg“ entlastet werden. Für die am Schlichtungsverfahren Beteiligten ist die Schiedsperson die schnellere und günstigere Alternative: keine langen Wartezeiten, wenig Papieraufwand und Kosten von in der Regel nicht mehr als 25 Euro.

„Ein typischer Fall verläuft so, dass jemand bei mir anruft, ein Problem schildert und um ein Schlichtungsverfahren bittet“, erklärt Braun. Der Schiedsmann prüft, ob er zuständig ist, also ob sich der Fall in St. Tönis zugetragen hat, und welches Vergehen vorliegt. „Dann wende ich mich an den ‚Gegner‘, um ihm die Möglichkeit zu geben, alleine mit mir zu sprechen und den Fall aus seiner Sicht zu schildern“, sagt der Schiedsmann. Das trage dazu bei, dass die andere Seite nicht in eine Abwehrhaltung rutsche.

Als Nächstes bringt Braun beide Parteien zusammen an den Tisch und versucht, einen Kompromiss zu finden, mit dem beide Seiten gut leben können. Bleibt eine Partei dem Termin ohne ausreichende Entschuldigung fern, kann der Schiedsmann übrigens ein Ordnungsgeld verhängen.

Wird im Gespräch Einigkeit erzielt, wird ein Vergleich schriftlich aufgesetzt, den beide Parteien unterschreiben. Damit ist der Vergleich genauso bindend und wirksam wie ein gerichtliches Urteil. Verläuft der Schlichtungsversuch ohne eine gemeinsame Einigung, kann Klage erhoben werden.