400 Beschuldigte im Visier der Ermittler Cum-Ex: Ein kampfeslustiger Justizminister
Düsseldorf · Peter Biesenbach (CDU) erhöht Zahl der Ermittler und hofft auf ein wegweisendes Urteil.
Die „Cum-Ex-Geschäfte“, bei denen die Beteiligten dem Fiskus in der Zeit von 2001 bis 2016 so tief in die Tasche griffen, dass dieser am Ende um geschätzt 30 Milliarden Euro ärmer war, werden derzeit in einem ersten Strafprozess vor dem Landgericht Bonn verhandelt. Die Sache hat freilich nicht nur eine strafrechtliche und eine finanziell desaströse Dimension. Auch politisch hat sie Folgerungen. So warf die Opposition im NRW-Landtag der schwarz-gelben Landesregierung mehrfach vor, sie setze viel zu wenig Personal auf Ermittlerseite ein. Daher drohe in vielen Fällen Verjährung. Und die Geschäftemacher, die in einem komplizierten Verfahren dafür sorgten, dass durch verwirrende Bankgeschäfte am Ende eine einmal gezahlte Steuer doppelt zurückerstattet wurde, könnten schon wegen staatlicher Inaktivität davon kommen.
Bisher gibt es 56 Komplexe
mit 400 Beschuldigten
Vor diesem Hintergrund kündigte Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Dienstag an, die Zahl der Stellen bei der mit diesen Fällen befassten Staatsanwaltschaft werde verdoppelt. Was eindrucksvoll klingt. Aber dann doch wieder nicht, wenn man weiß, dass es bisher 4,7 Ermittlerstellen waren. Und nun fünf hinzukommen. Doch Joachim Roth, Leitender Oberstaatsanwalt in Köln, will das gar nicht kleinreden. Er hält die fünf Planstellen für „sinnvoll und nötig“. Ob dann nicht 100 Stellen noch besser wären, wird er bei dem Pressetermin mit dem Justizminister gefragt. Roth greift für die Beantwortung der Frage zu einem Bild. Es gehe hier nicht darum, eine Stecknadel im Heuhaufen zu suchen, da könnten 100 Stellen gewiss nützlich sein. Hier aber komme es darauf an, einen Faden zu entwirren und das Knäuel dann neu zu ordnen. „Da nützt es nichts, wenn 100 Leute an dem Faden ziehen oder einer das macht und 99 schauen zu.“
Sowohl Roth wie auch sein Kollege, Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich, zerstreuen Bedenken, dass Verjährung drohe. In den bislang „56 Komplexen mit 400 Beschuldigten“ sei das jedenfalls nicht der Fall. Hier habe man durch Verfahrenshandlungen wie Durchsuchungen oder Beschlagnahmen den Lauf der zehnjährigen Verjährungsfrist unterbrochen. Natürlich könne es sein, das gesteht auch Justizminster Biesenbach zu, dass weitere Täter unentdeckt blieben und sich dann am Ende doch auf die Verjährung der Vorwürfe berufen können.
Nun sei es erst einmal wichtig, das erste Verfahren vor dem Landgericht Bonn abzuwarten. Da geht es auch ganz grundsätzlich darum, ob die Cum-Ex-Geschäfte überhaupt strafbar waren oder ob nur Gesetzeslücken ausgenutzt wurden. Kommt die Entscheidung (vermutlich Anfang nächsten Jahres), dann könnten bei einer Verurteilung auch weitere Anklagen auf den Weg gebracht werden. Biesenbach zeigt sich kampfeslustig bei dieser, wie er es sagt, „Chefangelegenheit“. Er zitiert aus einer Mail der an den Geschäften Beteiligten, die sich in den Akten der Ermittler befindet. Da feiern diese sich, dass ihnen die Staatsanwälte nie auf die Schliche kommen würden, dafür seien diese zu dumm. Das sind sie gerade nicht, sagt der Justizminister trotzig. Gebe das Landgericht Bonn durch eine Verurteilung grünes Licht und werde das Urteil dann durch den Bundesgerichtshof bestätigt, so könnten demnächst „Anklagen im Akkord“ bearbeitet werden. „Unser Rechtsstaat ist stark“, ruft er denen zu, die demnächst als weitere Angeklagte in weiteren Cum-Ex-Verfahren vor Gericht stehen könnten.