Kiffer-Tourismus ins Nachbarland Cannabis-Einfuhr bleibt verboten
Grenzland · Bisher war die Cannabis-Einfuhr aus den Niederlanden illegal. Ändert sich das mit dem neuen Gesetz? Und was sagen Kiffer selbst?
Seit 1976 tolerieren die Niederlande den Verkauf von Cannabis in Coffeeshops, auch wenn er grundsätzlich verboten ist. Viele deutsche Konsumenten aus der Grenzregion nutzen das, um im Nachbarland Marihuana oder Haschisch für den Eigenbedarf zu holen. Bis zu fünf Gramm darf man als Erwachsener in einem niederländischen Coffeeshop erwerben. Problematisch wird die Sache in der Regel erst bei der Rückreise nach Deutschland: Wer an der Grenze angehalten und mit Cannabis erwischt wird, muss zumindest mit der Beschlagnahmung des Einkaufs und mit Post von der Staatsanwaltschaft rechnen.
Viele deutsche Konsumenten, die bisher zum Cannabiseinkauf in die Niederlande gefahren sind, fragen sich seit der Entscheidung des Bundestages: Was ändert sich ab 1. April durch das neue Cannabisgesetz? Muss man keine Strafe mehr fürchten, wenn man Cannabis in den Niederlanden kauft und nach Deutschland mitnimmt? Schließlich ist der Besitz von 25 Gramm in Deutschland ja ab dem 1. April für Erwachsene erlaubt.
Die Antwort für Grenzgänger ist ernüchternd: Die Einfuhr von Cannabis in die Bundesrepublik bleibt auch unter dem neuen Cannabisgesetz verboten – egal, ob es sich um ein halbes Gramm oder ein halbes Kilo handelt. Zwar darf man innerhalb Deutschlands als Erwachsener grundsätzlich 25 Gramm mit sich tragen und zuhause bis zu 50 Gramm besitzen. Aber wer das Rauschmittel in den Niederlanden kauft und dann nach Deutschland einführt, muss weiterhin mit Geld- oder Gefängnisstrafe rechnen.
Ein Freitag, 13 Uhr, in der Vlaamsegas, einer Gasse mit lückenlosen Häuserfassaden in der niederländischen Stadt Nimwegen. Graffiti zieren die Wände, die alteingesessenen Coffeeshops Kronkel und Dreadlock haben ihre Türen geöffnet. Ein süßlicher Geruch liegt in der Luft. Auf den Verkaufstafeln in den Shops sind Marihuana- und Haschischsorten nebst Grammpreis angezeigt. Auch Gebäcke mit THC-Anteil werden angeboten. „Fünf Gramm S5 Haze“ bestellt ein deutscher Kunde an einem der Verkaufsschalter im Coffeeshop Kronkel, den es seit 1986 gibt. Der Mitarbeiter packt das Gras aus der Schale auf eine Feinwaage, gibt Blüten hinzu, nimmt wieder etwas weg, bis die Waage fünf Gramm anzeigt. „52,50 Euro“, sagt der Mitarbeiter. Der Kunde zahlt und kriegt noch Blättchen hinzu, mit denen er Joints rollen kann.
Autos dürfen in die Vlaamsegas in Nimwegen nicht fahren – es wäre ohnehin zu eng. Regelmäßig warten in der Gasse Gestrandete, die um Münzen bitten. Wer ihnen etwas Geld gibt, hat auf der Rückreise nach Deutschland Glück, heißt es.
Zu Stoßzeiten bietet der Parkstreifen in der Nähe ein Wechselspiel aus Gelb und Weiß. Zwischen die niederländischen Kennzeichen reihen sich lauter deutsche. Viele Klever und Gelderner Nummernschilder, aber auch viele von weiter weg: Moers, Bocholt, Kempen, Wesel, Neuss, Düsseldorf, Köln... Nicht wenige Fahrer ziehen ein Zehn-Minuten-Parkticket, schlendern in die Vlaamsegas und kehren zehn Minuten später fünf Gramm schwerer zurück. Andere, meist gruppenweise, verbringen den ganzen Tag in den Coffeeshops und deren Cafés – nicht nur in der Vlaamsegas, sondern in halb Nimwegen. Im Dakota, im Lucky Luke, im Jamaica, im ‘t Kunsje und wie sie alle heißen.
Aus einem Coffeeshop kommt ein Mann aus Krefeld, schätzungsweise Anfang 40. Normalerweise decke er seinen Eigenbedarf in Venlo, sagt er, aber ab und zu ziehe es ihn auch mal nach Nimwegen. „Hier ist die Auswahl größer und es gibt mehr Shops“, sagt er. Seit 20 Jahren konsumiert er Cannabis. Dass Deutschland nun zum 1. April ein neues Gesetz hat, scheint ihn recht kalt zu lassen. „Ich habe einiges noch gar nicht verstanden. Wie sieht es künftig mit Grenzwerten hinterm Steuer aus? Und warum darf man drei Pflanzen zu Hause haben, aber maximal 50 Gramm Cannabis? Wenn es gut läuft, kriegt man aus einer Pflanze schon mehr als 50 Gramm Ertrag.“
30 Minuten sind es von der Kreisstadt Kleve zur Vlaamsegas in Nimwegen, und 30 zurück – vorausgesetzt, man wird nicht von den deutschen Behörden angehalten. Ein Klever Mitte 30 kommt aus dem Kronkel, fünf Gramm hat er gerade gekauft. „In einen Verein eintreten? Ne, lass mal“, sagt er. Er werde weiterhin Cannabis in Nimwegen kaufen „Ich denke, ich werde mir mal so ein kleines Anbausystem für zu Hause holen. Aber bis das läuft, fahre ich weiter rüber.“