Sexuelle Bildung an Schulen Das Sex-Tape und die Lehrerin

<irglyphscale style="font-stretch 101%;">Kreis Viersen</irglyphscale> · Und plötzlich ist das private Sexvideo von einer Schülerin und einem Schüler für jeden weltweit abrufbar. Wie soll die Lehrerin reagieren, wenn sie sich ihr anvertrauen? Nicht nur auf Rechtsfragen will eine Fachtagung jetzt Lehrkräften und Schulsozialarbeitern Antworten geben.

Hoppla, und plötzlich ist das private Sexvideo von jedem überall abrufbar. Und jetzt?

Foto: dpa-tmn/Marcus Brandt

Solche Probleme hatten Lehrerinnen und Lehrer früher nicht: Da vertraut sich eine Schülerin ihrer Beratungslehrerin an, dass sie mit einem Mitschüler Sex hatte und beide das Geschehen aufgezeichnet hätten. So weit, so normal heutzutage. Dann habe der Junge das Video mit ihrem Einverständnis an einen Kumpel geschickt. Aber der habe das Sexvideo dann auch anderen zugänglich gemacht. Und schon wird’s kompliziert. Denn das ist natürlich strafbar. Muss die Lehrerin nun, in Kenntnis der strafbaren Handlung, den Kumpel des Freundes ihrer Schülerin anzeigen? Wie soll sie sich der Schülerin gegenüber verhalten?

„Alles was (R*r)echt ist“ heißt ein Fachtag zur sexuellen Bildung an Schulen, den der Kreis Viersen für Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter aus dem Kreis Viersen, Krefeld und Mönchengladbach am Montag, 31. März, von 9 bis 16 Uhr ausrichtet. 60 Plätze stehen zur Verfügung, bis Samstag, 15. März, kann man sich anmelden.

Laden zur Tagung: Kreisgesundheitsdezernent Jens Ernesti, Beate Guse (Kreisgesundheitsamt), Klaus Neufeldt (GEW) und Robert Lierz (Aids-Hilfe).

Foto: Martin Röse

Schulunterricht bleibt
wichtig für Sexualaufklärung

Schule kommt eine wichtige Bedeutung zu, denn – trotz zahlloser Internetseiten ist der Schulunterricht für Jugendliche weiterhin die wichtigste Quelle der Sexualaufklärung laut der aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Die Aufklärungsarbeit der Schulen ist ein grundlegender Bestandteil der sexuellen Bildung Jugendlicher“, sagt Kreisgesundheitsdezernent Jens Ernesti. „Sie unterstützt die jungen Menschen dabei, ein gesundes Verständnis von Sexualität zu entwickeln und selbstbestimmte und informierte Entscheidungen zu treffen.“

Doch dazu müssen die Lehrkräfte erst mal selbst informiert werden. Die promovierte Juniorprofessorin der Uni Tübingen Jennifer Grafe doziert schön praxisnah über Sexting, Schutzaltersgrenzen, Schweigepflicht – und wird den Lehrkräften auch erzählen, wie sich die Lehrerin im Falle des Sexvideos verhalten soll.

Gleich vier verschiedene Workshops werden den Lehrkräften und Schulsozialarbeitenden im Anschluss angeboten, jeder kann an zwei teilnehmen. Im Workshop „Sexy and Safe“ beispielsweise bekommen die Lehrkräfte den aktuellen Wissensstand zu HIV, Chlamydien und HPV-Impfung genannt. „Da hat sich in den vergangenen Jahren ja eine Menge getan, beispielsweise mit der HPV-Impfung auch für Jungen“, sagt Beate Guse vom Kreisgesundheitsamt. Welche Screenings und Impfungen gibt es heute für Jugendliche, was sind Risikokontakte und wo gehe ich hin, wenn’s juckt und brennt – das sind die Themen, die in dem Workshop behandelt werden.

Zum Beispiel zur Aids-Hilfe. Deren Mitarbeiter gehören ebenfalls zu den Referenten an dem Tag, und das ist der tiefere Sinn der Fortbildung: sich vernetzen, die Menschen in den anderen Bereichen kennen lernen – von den Gesundheitsämtern, von der Aids-Hilfe. Damit die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern Tipps geben können, an wen sie sich wenden können und wer an die Schweigepflicht gebunden ist.

„Wir sind so etwas wie das Dr.-Sommer-Team“, sagt Robert Lierz von der Aids-Hilfe Mönchengladbach/Rheydt. Und auf Anforderung kommen die Mitarbeiter der Aids-Hilfe in die Schule. Die Lehrer müssen dann den Raum verlassen, wenn die Schüler mit ihnen sprechen. „Da geht’s um Vertrauen“, sagt Lierz. „Oft öffnen sich die Schülerinnen und Schüler eher jemandem, den sie nicht kennen, als ihren eigenen Lehrern.“

Weitere Workshops heißen „Nicht mit mir“ – wie sich mit Jugendlichen zu Gewaltschutzkonzepten arbeiten lässt, „Alles, was Spaß macht...“ über Methoden der sexuellen Bildung, die auch Lehrern nicht peinlich sein müssen und „Vielfalt im Klassenzimmer“, wie LGBTQ-Themen vertieft werden können.