Der Beruf sollte Freude machen

Mit den „Girls and Boys Academys“ erhalten Mädchen und Jungen neue Einblicke in geschlechtsuntypische Berufe.

Die Schülerinnen und Schüler der KHS Itterstraße bauten im Zuge der „Akademie“ einen Stuhl zusammen – aus Brettern, die sie auf dem Abenteuerspielplatz sammelten.

Foto: Wilfried Meyer

Michael Grütering ist regelrecht begeistert. „Was an dieser Schule passiert, ist die präventive Verhinderung von Arbeitslosigkeit. 90 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben keine Ausbildung. Hier wird viel dafür getan, dass der Übergang von Schule in den Beruf nahezu wie geschmiert funktioniert“, erklärt der Hauptgeschäftsführer der Düsseldorfer Arbeitnehmerverbände e. V. Unternehmerschaft Düsseldorf und Umgebung e. V. „Der Ansatz der ‚Girls & Boys Academy‘ ist genau richtig. Der Anfang ist gemacht, jetzt muss es wachsen.“

An der Katholischen Hauptschule (KHS) an der Itterstraße läuft das Projekt „Girls and Boys Academy“ seit einem Jahr. In dieser „Akademie“ sollen die Siebtklässler im Rahmen der Berufsorientierung in zwei Projektwochen ihre individuellen Stärken, ihre Talente, ihre unbewussten Interessen unabhängig von festgefügten Geschlechter- und Rollenbildern erfahren. So sollen sie in die Lage versetzt werden später einen Ausbildungsberuf zu ergreifen, der ihren Begabungen entspricht.

Der Fachkräftemangel
ist ein „Riesenthema“

„Die Schülerinnen und Schüler lernen Berufsfelder kennen, die sie für sich selbst gar nicht auf dem Schirm hatten. Sie öffnen sich für Berufe ohne festgelegten Geschlechterrollen zu folgen“, urteilt KHS-Schulleiter Oliver Wiehns. „Die Siebtklässler können sich selber erfahren und gewinnen so Einblicke in das eigene Selbst und entwickeln ihre Persönlichkeit weiter.“ Einer der Gründe, warum die NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW, Ina Scharrenbach, das Pilotprojekt ins Leben rief, ist der Fachkräftemangel. „Das ist ein Riesenthema“, meint die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Düsseldorf, Birgitta Kubsch-von Harten. „Deshalb wollen wir jedes Talent heben, denn man ist ja nur darin wirklich gut, was einen interessiert, was einem Spaß macht. Da haben gesellschaftliche Stereotypen nichts verloren.“

Deshalb setzt die „Girls & Boys Academy frühzeitig und nachhaltig an, um die individuellen Befähigungen von Mädchen und Jungen zu identifizieren. Dafür werden die „Kids“ nicht zu Betriebsbesichtigungen in Serie geschleppt, sondern die Schüler müssen selbst aktiv werden. So werden etwa lern- und erlebnispädagogische Elemente eingesetzt, um durch praxisorientierte Übungen eigene Stärken zu finden und gleichzeitig Rollenklischees hinterfragt. „Wir waren auch auf einem Abenteuerspielplatz, haben dort Bretter gesammelt und daraus einen Stuhl gebaut“, erläutert KHS-Schüler Zoran. „Da hat man was geschaffen, von dem man sagen kann, das haben wir gebaut.“ Auch die Mädchen.

So stehen in den Projektwochen auch geschlechteruntypische Stunden auf dem Plan. Jungs müssen Wäsche falten, Tische eindecken, Mädchen entwickeln am Computer einen personalisierten Einkaufswagen-Chip und drucken den am 3D-Drucker aus. „In den Projektwochen haben wir viel besser zusammengehalten als im Schulunterricht. In der Schule sind wir nicht so eng beieinander, da achtet jeder mehr auf sich“, resümierte Elisa. Kassandra erkannte durch die „Girls & Boys Academy“, dass sie in Naturwissenschaft und Technik stark ist, doch sie möchte beruflich etwas mit Menschen machen. „Ich habe in der Projektzeit die Psychologie für mich entdeckt“, meint Stefan. „Dass mich das interessiert, wusste ich vorher gar nicht.“

Von solchen Ergebnissen ist die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Düsseldorf sehr angetan. „Die Berufswünsche sind noch immer nahezu in Stein gemeißelt. Die Jungen gehen in die technischen Berufe, Mädchen in die sozialen“, so Kubsch-von Harten. „Aber Jugendliche müssen Offenheit erwerben, um über ihre eigene Zukunft nachzudenken. Ausbildung und Beruf sind wichtige Bestandteile des ganzen Lebens. Deshalb sollte der Beruf Freude machen.“