Detmold Schlafender Dreijähriger von Halbschwester getötet - Motiv weiter unklar

Detmold · Immer wieder soll eine 15-Jährige auf ihren kleinen Halbbruder eingestochen haben. In der U-Haft wird sie demnächst psychiatrisch untersucht. Wissenschaftler äußern sich vorsichtig zu möglichen Auslösern der Tat.

Polizisten stehen in der Nähe des Mehrfamilienhauses, wo gestern Abend eine 15-Jährige ihren dreijährigen Halbbruder in Detmold mit einem Messer getötet haben soll.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Im Fall einer 15-Jährigen, die ihren schlafenden Halbbruder mit 28 Messerstichen getötet haben soll, bleibt das Motiv weiter unklar. Nach dem Tod des Dreijährigen in Detmold am Mittwoch war seine Halbschwester unter Mordverdacht in Untersuchungshaft genommen worden. Die Ermittlungen dauerten am Wochenende an. Ein psychologisches Gutachten stehe bevor, hieß es bei der Polizei in Bielefeld.

Nach Angaben der Ermittler hält sich die 15-Jährige für die Täterin, beruft sich aber zugleich auf Erinnerungslücken. Ersten Erkenntnissen zufolge hatte das Mädchen eine tiefe Abneigung gegen den Halbbruder entwickelt. Die Staatsanwaltschaft hatte angekündigt, dass ein Gutachter prüfen müsse, ob es schuldfähig und wie seine geistige Entwicklung einzuschätzen sei. Mit 15 Jahren ist das Mädchen vom Gesetz her strafmündig.

Sein Verteidiger Helmut Wöhler sagte dem „Westfalen-Blatt“ (Samstag), er strebe eine möglichst rasche psychiatrische Untersuchung seiner Mandantin in der U-Haft in Iserlohn an. Auf die Frage, ob die 15-Jährige realisiere, was sie mutmaßlich getan habe, antwortete Wöhler. „Ich weiß nicht, wie es in ihr aussieht.“ Man komme schlecht an sie heran.

Ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft sagte, dass der Persönlichkeitsschutz der 15-Jährigen ein zentraler Punkt sei. Einen „Bild“-Bericht, dem zufolge das Mädchen angeblich nach der Tat Botschaften mit Blut an die Wand schmierte, bevor es flüchtete, wollte er nicht kommentieren.

Experten warnten vor voreiligen Schlüssen. Wenn jemand seine Wut nicht unter Kontrolle habe, liege das immer an einem Mix an Gründen, sagte Mareike Schüler-Springorum, Ärztliche Direktorin des LWL-Therapiezentrums für Forensische Psychiatrie Marsberg in NRW. „Das ist ein komplexes Zusammenspiel.“ Die Psychotherapeutin Gisela Dreyer aus Bonn betonte: „Wut ist das intensivste und am schwierigsten zu kontrollierende Gefühl.“ Selbst Erwachsenen falle die Kontrolle darüber schwer. „Kontrolle der Wut gelingt allein über Selbstreflexion und über Sprache“, so Dreyer. Defizite darin könnten zum Problem werden. Beide Expertinnen unterstrichen, dass zum Detmolder Fall bislang zu wenig bekannt sei, um sich konkret dazu äußern zu können.

Bei jugendlichen Straftätern müssten Experten verschiedene Punkte klären - etwa, ob der Täter Unrecht überhaupt verstehen und sein Handeln steuern könne, erklärte Schüler-Springorum. Oder auch, ob eine psychische Störung vorliegt. Zudem müsse ein Gutachter prüfen, wie die betreffende Person mit Gefühlen, Frust oder Stress mit den Eltern umgehe. Auch das Lernumfeld in der Schule sei zu beleuchten.

(dpa)