Deutscher Meister 1972 Titel im zweiten Anlauf geholt

Die DEG feiert am Freitag beim Spiel gegen Krefeld noch einmal den Erfolg in der Saison 1971/72.

Verteidiger Otto Schneitberger feiert auf den Schultern der DEG-Fans den Gewinn des Meistertitels.

Foto: Horstmueller/HORSTMUELLER GmbH

Noch immer arbeitet Alois Schloder an der Chronik seines EV Landshut, die über 1300 Seiten lang und im nächsten Jahr zum 75jährigen Bestehen des Vereins fertig sein wird. Das, worüber wir mit ihm sprechen, lag im Dezember schon 50 Jahre zurück – aber er hat es, noch so frisch im Kopf, als sei es gestern gewesen. Es sprudelt nur so aus ihm heraus: „Sechs Sekunden vor Schluss schoss Alois Schloder den Ausgleich, und die DEG war doch noch nicht Meister.“ Dabei hatte sie 3:1-geführt und wäre mit einem Sieg vom Titelverteidiger EV Füssen nicht mehr einzuholen gewesen. Als Schloder traf, saß Otto Schneitberger auf der Strafbank. Er versichert auch heute noch, wenn er darauf angesprochen wird: „Unberechtigt“. Aber Schiedsrichter Martin Erhard aus dem bayerischen 1500-Seelen-Flecken Hohenfurch ließ sich damals in Landshut nicht erweichen.

So schlecht die Stimmung in den ersten Minuten nach der Schlusssirene auf Düsseldorfer Seite auch war – allmählich zog wieder Zuversicht ein, wenngleich nun Weihnachten keine Erholung mit umfangreichem Festtagsschmaus samt passenden Getränken versprach, sondern volle Konzentration aufs nächste Spiel einforderte: am 2. Feiertag gegen den Krefelder EV. Es war das vorletzte Spiel; die Saison 71/72 ging schon im alten Jahr zu Ende, weil Olympia im japanischen Sapporo im Februar begann und Bundestrainer Gerhard Kießling noch am Teamwork arbeiten musste.

Die Mannschaft musste
erst zusammenwachsen

Hinter DEG-Trainer Xaver Unsinn, dem Mann mit dem Pepita-Hütchen auf dem frühzeitig kahlen Kopf, und seinen Spielern lag eine Saison mit erfreulicherweise mehr Höhen als Tiefen. Die Mannschaft musste allerdings erst zusammenwachsen, denn es galt, neue Spieler einzubauen, die viel Talent, aber noch wenig Erfahrung mitbrachten: Verteidiger Erich Weide kam vom KEV, viel jugendliche Frische erweiterte den Angriff: Walter Köberle folgte seinem Kaufbeurer Landsmann Wolfgang Boos zur Brehmstraße und wurde auf dem Eis dessen rechte Hand, Walter Stadler als herausstechender Schlittschuhläufer kam aus Rosenheim und Vladimir Vacatko aus Köln, der der geniale Nebenmann des Spielgestalters Peter Hejma werden sollte, weil er dessen Gedanken lesen konnte. Auch für Hejma, obwohl im Trikot der CSSR schon mit olympischem Edelmetall ausgezeichnet, ging es um seine erste Landesmeisterschaft – in seiner Zeit bei Sparta Prag hatte es nie geklappt.

Köberle nennt im Rückblick auch einen quantitativen Grund für den Erfolg: „Wir hatten damals schon drei komplette Reihen, im Sturm wie in der Verteidigung. Das war nicht bei allen Gegnern so.“ Von dieser Mannschaft („Eine tolle Truppe“) schwärmt auch noch Kapitän Harald Kadow, der vom einstigen KEV-Rivalen Preußen Krefeld gekommen war, wo er mit dem späteren Schiedsrichter Jupp Kompalla eine Abwehrreihe gebildet hatte; in Düsseldorf verteidigte er zusammen mit Schneitberger vor Torhüter Rainer Makatsch.

Xaver Unsinn hatte ein Näschen für Talente und verbreitete vor dieser Saison schon Optimismus. Und doch galt es, zuweilen die stärkere Leistung der Konkurrenz in der Liga anzuerkennen, zu der damals noch alle bayerischen Traditionsvereine gehörten: Füssen, Bad Tölz, Riessersee, Landshut und Kaufbeuren. Aus dieser Saison stammt die in ein Lied verpackte Sympathie mit dem SC Riessersee, der an der Brehmstraße mit seinem Offenivspiel begeisterte und auch die Punkte entführte. Die Düsseldorfer Fans hoben damals, spontan, wie sie immer waren, den Lobgesang auf ihre DEG, aber auch die Garmischer aus der Taufe, der zu einem Evergreen wurde: „DEG wird Meister, Riessersee wird Zweiter…“ Nun, in der besagten Saison 1971/72 wurde Riessersee nicht Zweiter, sondern Dritter – aber die DEG tatsächlich Meister. Dass ausgerechnet das Weihnachtsspiel gegen den KEV die Entscheidung bringen sollte und auch brachte, passte mit der automatisch gegebenen Spannung gut ins Bild rivalisierender Nachbarn, wobei die Fans beider Klubs damals noch nicht solch große Abneigung gegen die andere Seite verspürten, wie sie heute oft zu Tage tritt. „Ein unvergessenes Erlebnis, wie uns die Fans gefeiert und auf den Schultern übers Eis getragen haben“, erinnert sich Köberle. Kapitän Kadow erzählt vom Foto, das bei ihm an der Wand hängt: „Walter Köberle und ich halten den Meisterteller gemeinsam hoch.“ Makatsch jubelte umso befreiter, nachdem ihm ein besonders dicker Stein vom Herzen gefallen war. „Ich war emotional so sehr berührt“, weiß er noch, „es ging ja um meine erste Meisterschaft.“ So abgebrüht und cool wie sein Füssener Kollege Toni Kehle wäre er gern gewesen, sagt er, gerade in diesem Spiel. In Bad Nauheim hatte sich ihm, obwohl damals schon Nationalspieler, eine solche Titelchance nie geboten. Er fühlte, wie er zugab, „richtig weiche Knie“. Kein Wunder: Nachdem die DEG durch vier Verteidigertore (Rudi Potsch/2, Heiko Antons, Frank Neupert) nach 15 Minuten 4:0 geführt hatte, machten es Uli Wyes und Hansi Schaub zum 4:2 noch einmal spannend. Spannender, als man es dem Tabellenletzten noch zugetraut hätte. Dass es bei der bevorstehenden Ehrung von Spielern der zweiten Meistermannschaft wieder gegen den KEV geht, ist perfekt geplant – das Ergebnis von damals darf es gern auch diesmal sein.