Osteuropäische Geschichte an der Heinrich-Heine-Uni „Putin will Geschichte zurückdrehen“
Düsseldorf · Die Düsseldorfer Historikerin Beate Fieseler forscht seit vielen Jahren zu Russland. Im Ukraine-Krieg sieht sie den Versuch des russischen Präsidenten, das Land in eine unterlegene Position zurückzuzwingen.
(nic) Die Düsseldorfer Historikerin Beate Fieseler geht davon aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin „die einstige historische Größe des russischen Imperiums wiederherstellen“ will. „Anscheinend leidet Putin unter postimperialem Phantomschmerz und befindet sich auf einer historischen Mission“, sagte die Expertin für Geschichte und Kulturen Osteuropas in einem von der Heinrich-Heine-Universität veröffentlichten Interview. „Er möchte für ,historische Gerechtigkeit‘ sorgen, indem er zunächst die slawischen Bruderstaaten unter russischer Führung wiedervereinigt.“
Im Fall von Belarus finde Putin in Lukaschenko einen treuen Vasallen: „Die Ukraine will er mit brutaler Gewalt in die inferiore Position, die sie aus russischer Sicht immer einzunehmen hatte, zurückzwingen.“ Sein „großrussischer Chauvinismus“ äußere sich auch sprachlich, indem er die Ukraine als „Kleinrussland“ zu titulieren pflege.
Beate Fieseler war Inhaberin des Lehrstuhls für Geschichte und Kulturen Osteuropas an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Sie forscht seit vielen Jahren in und zu Russland und hat sich bislang vor allem mit der russischen Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie mit der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen für das Land beschäftigt. Die Historikerin erinnerte daran, dass Putin den Zerfall der Sowjetunion schon 2005 als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet habe: „Er denkt spätestens seitdem geopolitisch und will die Geschichte zurückdrehen. Dabei helfen ihm durch nichts zu rechtfertigende Behauptungen wie die, dass die Ukraine kein richtiger Staat sei.“
Fieseler glaubt, dass dem russischen Präsidenten für die Zukunft wohl so etwas wie ein eurasischer Großraum unter russischer Führung vorschwebe – sozusagen als Gegenpart zum transatlantischen Westen: „Darin steckt eine Drohung, die man nicht einfach als Ausdruck wilder Fantasien abtun sollte.“