Prominenter Besuch in der Robert-Schumann-Hochschule Joris, wie verkraftet man Erfolg?

Düsseldorf · Der Echo-Preisträger spricht vor Studierenden über Kreativität und den Fluch der Erwartungshaltung. Dann gibt es sogar ein Konzert – und am Ende wird er selbst zum Zuhörer.

Joris gab vor den Studierenden auch ein kleines Konzert.

Foto: Jonas Walzberg/dpa

„Mein Song ist leider nicht politisch, sorry. Und eigentlich klingt er wie Blackbird von den Beatles.“ Max ist erst im zweiten Semester. Ein bisschen schüchtern ruckelt er seine Gitarre zurecht. Sein Song wird am Ende gar nicht nach den Beatles klingen, sondern hundertprozentig nach Max. Er spielt ihn heute nicht nur vor Kommilitoninnen und Kommilitonen der Robert-Schumann-Hochschule, sondern auch vor einem Echo-Preisträger.

„Ich musste ihn überreden, herzukommen“, sagt Dieter Falk, Professor für Musikproduktion, lachend. Neben ihm sitzt Joris, Popsänger und Liedermacher. Mit Falk hat er schon mehrfach zusammengearbeitet, zum Beispiel 2022 bei der „Rotkäppchen Nacht der Chöre“.

Entsprechend ehrfurchtsvoll ist die Stimmung im Seminarraum. Rund 50 Studierende verfolgen aufmerksam Joris Ramon Buchholz (34), als er von seinem Werdegang erzählt. Von schlaflosen Studionächten, Meilensteinen in seiner Karriere. Davon, wie es ist, im Supermarkt einzukaufen, während der eigene Song im Radio läuft. „Ich dachte, ich musste mich verstecken, weil ja jeder weiß, wer das da singt“, erzählt Joris: „Wusste natürlich keiner.“ Auf der Straße erkennt den Musiker fast niemand, aber die meisten Deutschen kennen seinen Song „Herz über Kopf“.

Im Laufe einer Karriere warten auch schwierige Momente

Aber Joris erzählt auch von schwierigen Momenten, die im Laufe einer Karriere warten. Etwa von der Zeit nach dem überwältigenden Erfolg seines ersten Albums. Die Erwartungshaltung, die nach solch einem Durchbruch entstehe, sei auch ein Fluch: „An meiner Wand hing damals eine Postkarte, auf der zwei Bergsteiger zu sehen sind, die gerade den höchsten Gipfel erklommen haben“, sagt er. „Und der eine sagt zum anderen: ‚Now what?’“

Worüber redet man mit einem Deutschpop-Star, den man alles fragen darf? Ein großes Thema spricht Joris gleich von sich aus an: die Sprache. „Ich habe eigentlich immer englische Musik gehört“, erzählt er: „Ich finde die Phonetik viel spannender. Und viele Native Speaker trennen Text und Musik nicht so sehr. Auf Deutsch zu schreiben, ist für viele Muttersprachler schwerer.“ Die Studierenden am Institut für Musik und Medien sind zu einem großen Teil angehende Musikproduzenten, die meisten schreiben auch eigene Songs oder stehen auf der Bühne. „Schreibst du manchmal auf Englisch und übersetzt dann?“, will eine Studentin wissen. „Ja“, sagt Joris: „Außerdem ist mein ganzes Handy voll mit Melodieschnipseln, die aus irgendeinem Kauderwelsch bestehen.“

Deutscher Pop hat harte Zeiten hinter sich. 2017 holte Jan Böhmermann in seiner Sendung zu einem Rundumschlag gegen deutsche „Pop-Poeten“ aus und kritisierte mit seinem Parodie-Song „Menschen Leben Tanzen Welt“ die Belanglosigkeit der Texte deutscher Sänger, allen voran Max Giesinger und Tim Bendzko. An Joris ging die Kritik nicht spurlos vorbei. „Niemandem hat gefallen, dass ‚Herz über Kopf‘ ein klar erkennbarer Radiohit war. Bei meinem zweiten Album musste deshalb alles anders werden.“ Für „Schrei es raus“ nahm er viel Geld in die Hand, alles musste analog aufgenommen werden. Das dritte Album war eine „Emanzipation von der Emanzipation“. Die Devise dabei: Alles nehmen, wie es kommt, ganze Chöre auch mal im Nightliner mit dem Handy aufnehmen.

Mit seiner Musik ist Joris bis heute erfolgreich. Als er sich an den Flügel setzt und „Glück auf“ spielt, versteht man, wieso. Das Mikro ploppt, die Akustik ist die eines Hochschulgebäudes, und trotzdem klingt Joris wie im Radio. Auf seinen Konzerten nutzt er seine Reichweite, um sich für Umweltschutz und mehr Miteinander auszusprechen. Das transportiert er auch an die neue Generation von Musikschaffenden, die da vor ihm sitzt.

Zum Schluss spielen ihm vier junge Musikerinnen und Musiker ihre eigenen Songs vor, darunter auch Max. Joris zeigt sich beeindruckt und kann ad hoc die Akkorde nachspielen, die er hört, hat aber auch Ratschläge für die Studierenden. „Ihr solltet euch nicht entschuldigen, wenn ihr auf die Bühne kommt“, sagt er: „Ihr seid alle fantastisch. Im Flugzeug will ich auch nicht hören, ob der Pilot mich gleich gut nach Mallorca bringen kann. Gebt den Leuten im Publikum das Gefühl, dass sie eure Gäste sind. Sie fliegen in den nächsten Minuten First Class – im besten Fall ohne Kerosin.“