Zur Düsseldorfer Uraufführung von „Glaube, Liebe, Fußball“ „Fußball wirkt durchaus zivilisatorisch“

Interview | Düsseldorf · Der Regisseur spricht über die bevorstehende Europameisterschaft, Dramatik und die Gemeinsamkeiten von Sport und Theater.

 Das Theater-Fan-Spektakel „Glaube, Liebe, Fußball“ feiert an diesem Freitag Premiere.

Das Theater-Fan-Spektakel „Glaube, Liebe, Fußball“ feiert an diesem Freitag Premiere.

Foto: Thomas Rabsch/Schauspielhaus

Lothar Schröder führte

das Gespräch

Was hat Theater eigentlich mit Fußball zu tun?

Leonhard Koppelmann: Beides kann im Zweifel ein fulminantes Drama bieten. Das Theater würde gerne manchmal so unmittelbar und existenziell aufgenommen werden wie ein Fußballspiel, doch daran scheitern wir verlässlich. Dafür bieten wir manchmal zumindest einen Grad mehr Reflexionstiefe. Die Beschränkung auf 90 Minuten, in Ausnahmefällen 120 Minuten und selbst mit Elfmeterschießen und Nachspielzeit 140 Minuten Spieldauer täten auch dem Theater häufiger gut …

Wie theatralisch geben sich denn Fußballer?

Koppelmann: An manchem Fußballspieler ist ein großer Schauspieler verloren gegangen, so sagt man zumindest, spätestens wenn ohne eine sichtbare Berührung der sterbende Schwan gemimt wird. Interessant, dass diese Theatralik während der Corona-Geisterspiele sofort zurückging – klar, es fehlte das Publikum, nur für die Mitspieler muss man sich nicht so ins Zeug legen! Und das Vokabular: Mittelfeldregisseure, Stürmerdiva. Und dann wird auch unter der Woche was „einstudiert“, das am Wochenende vorgeführt wird; zudem steht der Trainer am Spielfeldrand und der Regisseur sitzt auf der Hinterbühne – und beide bangen, dass alle Spieler mit großer Motivation, Kreativität, Leidenschaft sich in bester Spiellaune präsentieren und ihre Fanschaft in Ekstase versetzen!

Wenn Fußball und Theater solche Schnittmengen haben: Dient der Fußball dann im klassisch schillerschen und somit weitesten Sinne auch der Erziehung des Menschen?

Koppelmann: Unbedingt. Fußball ist zumindest der Versuch einer Überwindung des Krieges mit spielerischen Mitteln. Lange schon entwickelt sich der Fußball von der „Blutgrätsche“ weg. Vokabeln, die den Sport als Militärersatz kennzeichneten, wie „Zweikampf“ oder „Söldner“, verblassen langsam in Zeiten eines modernen, ästhetischen Fußballs, der sich durch sein ballorientiertes Spiel auszeichnet. So wirkt Fußball durchaus zivilisatorisch. Stil und Ästhetik werden spätestens seit den 1970er-Jahren zu einem neuen Entwicklungsquell für den vormaligen Kampfsport. Also vielleicht mehr Sócrates, der Brasilianer, als Sokrates, der Grieche, aber doch irgendwie Schiller. Oder in Abwandlung eines berühmten Fußballerzitats: Ob Schiller oder Rehhagel, auf jeden Fall ist der Fußball eine Schule praktischer Weisheit.

Wir werden als Zuschauer auf ­Zuschauer schauen; ein wenig ist das der Blick des Fußballers. Ist es dann im übertragenen Sinn auch der Blick des Schauspielers?

Koppelmann: Ein Fußballer braucht seinen Blick für den Mitspieler und der Schauspieler ebenso… also vielleicht geht es mehr darum, den Blick überhaupt zu weiten. Kein Theater ohne Publikum, kein Fußball ohne Fans. Denn manchmal hat man das Gefühl, dass das Publikum auf die eine oder andere Weise aus dem Blick gerät. Sowohl bei hermetischen Theaterveranstaltungen als auch bei den zunehmend vermarktungsgetriebenen Fußballwettbewerben.

Ist der Zuschauer eigentlich auch im Theater eine Art „unbekanntes Wesen“?

Koppelmann: Jede Begegnung im Theater ist neu, das ist ja das Besondere am Theater. Alles live ohne Netz und doppelten Boden, denn mit jedem neuen Publikum ergibt sich eine andere Textur der Vorstellung, bildet sich eine neue Spannung zwischen Publikum und Bühne. Wir wissen nicht, was das Publikum will, weil es auch das Publikum nicht weiß, darum schließen wir mit jedem neuen Stück, mit jeder neuen Inszenierung, ja, jeden Abend eine neue Verbindung und das macht dieses Medium so spannend!

Gibt es eigentlich ­Theater-Hooligans?

Koppelmann: Oh, ein paar Hardcore-Fans gibt es sicher auch am Theater! Leute, die von Ort zu Ort ziehen, um eine besondere Schauspielerin zu erleben, eine spannende Regiehandschrift zu verfolgen oder eine außergewöhnliche Autorenschaft zu begleiten. Aber eigentlich sind die vielen jungen Ensembles der Theater und die verschiedenen Bürgerinnen und Bürger die wahren Theater-Hooligans! Hier in Düsseldorf zum Beispiel das „Junge Schauspiel“ und das „Stadt:Kollektiv“ – theaterbegeisterte Menschen, die neue Publikumsgruppen ansprechen und das Theater so mit jungem, neuem, vielfältigem Leben füllen.

Hat sich das Stück „Glaube, ­Liebe, Fußball“ während der Proben gewandelt, also eine andere Gestalt angenommen als ursprünglich ­geplant?

Koppelmann: Jedes Stück wandelt sich während der Proben, weil so viele neue Impulse und Energien in der Arbeit dazu kommen! Unsere mehr als 40 Mitspielerinnen und Mitspieler aus Düsseldorf und Umgebung haben sich ebenso an der Entwicklung unseres Stückes beteiligt wie die Schauspiel-Studierenden aus Leipzig, ihre Kollegen vom Schauspielhaus sowie die Schauspielgäste. Dazu kommen all jene aus der Dramaturgie, von Tanz, Video, Ton, Musik, Kostüm, Bühnenbild, ohne sie ist so eine große Produktion überhaupt nicht realisierbar. Theater ist immer ein Teamplay und unsere Produktion vielleicht nochmal ein bisschen mehr. Wir hatten großes Glück mit diesem Team, das vor Kreativität, Leidenschaft und positiver Energie nur so überfloss!

Sind Sie selbst ein Stadiongänger?

Koppelmann: Ich bin leidgeprüfter Fan des 1. FC Köln. Gerade deshalb ist mir der Paulus-Spruch „Glaube, Liebe, Hoffnung“ im Fußball so nah.