104-Jährigen im Heim ermordet?

Prozess gegen zwei Pflegerinnen beginnt im Januar. Sie ließen Senior angeblich einfach sterben.

Foto: Sergej Lepke

104 Jahre alt war Herbert D. (Name geändert), als er am 23. Dezember vor drei Jahren in einem Oberbilker Senioren-Wohnheim starb. Trotz des hohen Alters trat der Tod des Seniors völlig überraschend ein. Nach langen Ermittlungen kam die Staatsanwaltschaft zu der Überzeugung, dass zwei Pflegerinnen den Mann falsch behandelten und einfach sterben ließen. Die beiden 35 und 51 Jahre alten Frauen müssen sich vom 9. Januar an vor dem Landgericht verantworten. „Mord durch Unterlassen“ wird ihnen in der Anklageschrift vorgeworfen.

Nach Informationen der WZ war lange unklar, wie der alte Herr gestorben ist. Zwar stellte man bei der Obduktion fest, dass dem 104-Jährigen eine Überdosis Morphium verabreicht wurde. Zeitweise gingen die Ermittler aber davon aus, dass es sich auch um einen Suizid handeln könne. Doch 17 Tage nach dem Vorfall meldete sich eine der Angeklagten bei der Polizei und schilderte, was sich angeblich in dem Altenheim zugetragen hat.

Danach wollte die beiden Pflegerinnen Herbert D. eine Injektion mit Morphium. „Versehentlich nahmen sie eine um den Faktor 100 erhöhte Dosis des Medikaments“, heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Dem Senior ging es danach sofort schlecht. Die 51-Jährige soll bemerkt haben, dass bei dem Patienten die Atmung aussetzte. Daraufhin sei sie zu ihrer Kollegin gelaufen, die bereits vorher das Zimmer verlassen hatte.

Als die beiden gemeinsam in das zu dem Mann zurückkehrten, sollen sie bemerkt haben, dass sie dem Patienten versehentlich die gegenüber der ärztlichen Verordnung hundertfache Dosis des Medikamentes „Hydromorphon“, ein starkes Schmerzmittel, verabreicht hatten. Zu dem Zeitpunkt atmete der Senior aber noch.

Die 51-Jährige war angeblich schon dabei, die Rufnummer des ärztlichen Notdienstes zu wählen. Das wollte ihre Kollegin aber offenbar verhindern. „Nein, das machen wir nicht“, hat sie angeblich gesagt. Daraufhin legte die Pflegerin nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf, ohne dass sie den Notarzt erreicht hatte. Kurz danach verstarb der 104-Jährige.

Die Staatsanwaltschaft wertete das Geschehen nicht nur als unterlassene Hilfeleistung oder fahrlässige Tötung, sondern als „Mord durch Unterlassen“. Ein Delikt, das nur sehr selten zur Anklage kommt. Angesetzt sind für den Prozess vor der Ersten Strafkammer des Landgerichts bisher vier Verhandlungstage bis zum 7. Februar. On dann das Urteil kommt, ist ungewiss.

Das Seniorenheim, in dem sich der Vorfall zugetragen hat, gehört zu einem Konzern mit 46 verschiedenen Einrichtungen und Hauptsitz in Hamburg. Eine Stellungnahme der Geschäftsführung lag bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor.