Düsseldorf-Himmelgeist Abschied nach über 150 Jahren: Kastanie wird zu Kunst
Seit über 150 Jahren steht die stattliche Kastanie im Düsseldorfer Süden. Nun ließ ein Pilz die grüne Berühmtheit absterben. Aus dem dicken Stamm entsteht Kunst. Das versöhnt die Freunde des Baumes. Manche umarmen ihn zum Abschied.
Düsseldorf (dpa). Wo der Rhein im Düsseldorfer Süden in einer großen Schleife fließt, steht eine mächtige Kastanie. Seit über 150 Jahren hat der Baum seinen Platz im ländlichen Himmelgeister Rheinbogen. Das Alter und die Ehrfurcht einflößende Statur haben die Kastanie zu einer Berühmtheit gemacht.
Zu einer in Reiseführern erwähnten Sehenswürdigkeit wurde die allein stehende Rosskastanie auch, weil sie ein Baum mit Adresse ist. Die Fans haben das so eingerichtet. Etwa 5500 Briefe hat der Postbote in den vergangenen Jahren in den Briefkasten geworfen. Geantwortet hat Andreas Vogt vom Freundeskreis der Kastanie. Was einem Baum alles anvertraut wird? „Es geht um Tod, Leben, Krankheit, Trennung aber auch um Baumpflege“, erzählt Vogt.
„Wir sagen immer: Das ist unser Heimatbaum“, sagt der 51-jährige Angestellte. Gefunden haben sich die Baumfreunde, ein Kreis von bis zu 80 Leuten, als die Kastanie 2006 gefällt werden sollte. Das wurde verhindert und der betagte Schützling immer bekannter.
Doch jetzt ist der 18 Meter hohe Baum-Greis abgestorben und muss gefällt werden. Protest regt sich nicht. Denn der Stamm wird zu einem Kunstwerk, darauf haben sich Baumfreunde, Stadt und Besitzer glücklich geeinigt. Viele pilgern noch einmal hin. Andreas Vogt berichtet, dass Spaziergänger ein letztes Mal vorbeiwandern, ein Foto machen oder den 124 Zentimeter dicken Stamm umarmen, der so viel älter ist als sie selber.
Ein besonderes Verhältnis zu Bäumen attestiert die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald den Deutschen. „In Europa haben wir das innigste Verhältnis zum Wald“, meint Sabine Krömer-Butz, Sprecherin des Verbandes in Bonn. Über die Himmelgeister Kastanie sprechen viele wie von einem guten Bekannten. „Ein alter Bursche“, nennt ihn Andreas Vogt. Die Leiterin des Gartenamtes sieht das ähnlich. Man solle Bäume auch als Lebewesen betrachten, meint Doris Törkel.
Von Montag an fallen die Äste. Zuschauen wird dann schon Kettensägenschnitzer Jörg Bäßler. Der 44-Jährige aus dem Erzgebirge wird anschließend aus dem Rumpf die Skulptur eines Baumgeistes formen. „Sie soll etwa fünf Meter hoch werden“, erzählt der Holzbildhauer, der ein paar Tage in Düsseldorf bleibt.
Ein Sturm im November hatte das endgültige Aus für die grüne Berühmtheit besiegelt: Ein acht Meter langer Ast brach aus der Krone und stürzte nieder. Nicht auszudenken, was hätte passieren können. Aber einen Sicherheitszaun um das Naturdenkmal bauen, das wollte keiner. „Ich fände das für den Baum unwürdig, ihn da so vergehen zu lassen“, meint eine Anwohnerin. Schon vor acht Jahren wurde in der Nähe eine junge Kastanie gepflanzt. Ein Ersatz wird sie lange nicht sein.