Düsseldorf Asphalt Festival: Die etwas andere Stadtrundfahrt — garniert mit einem Hauch Heine

Während einer inszenierten Bus-Tour zeigen per.Vers-Künstler gekonnt überdreht, wie sehr wir bereits in der parodierten Welt angekommen sind.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Sie kümmern sich: Legen beruhigend ihre Hand auf, verschenken ihr Lächeln und falls nötig auch ein Feuchttuch. Diese drei Damen und der Herr in Zitronengelb zum hippen Silber-Sneaker gehören zum Institut Schöner Leben. Sie begleiten eine Gruppe staunender Besucher auf einer Busfahrt durch Düsseldorf — oder besser durch ihre Vision eines zukünftigen Düsseldorfs.

„Le Grand Départ“ kündigen sie beim Start am NRW-Forum an und schmeicheln den auf Kuscheldecken ausgestreckten Menschen Komplimente ins Ohr: „Charme trifft Chance, das ist Düsseldorf. Dabei — unaufdringlich lässig.“ Ein verbindlicher Blick, ein wissendes Nicken. Die Sätze sprudeln auf Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch — wir sind international orientiert und doch fest verbunden mit der eigenen Stadt. Na klar.

Ein Rheinbahn-Bus im Retro-Look bietet für knapp zwei Stunden die Aussicht auf diese „Metropole der Möglichkeiten“, in der vor den Augen der Fahrgäste inszenierte Parodie und gelebte Wirklichkeit erstaunlich perfekt ineinander übergehen. „Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein. Wie ist es dir ergangen?“

Mit großer Geste markiert eine der Begleiterinnen die erste Station dieser Tour mit einem Heine-Zitat. Es werden weitere folgen. Auch Muhammad Ali bezeugt mit seinen Worten die Kraft von Avaler — so lautet der wohlklingende Agentur-Titel für diesen urbanen Alptraum, der einen mit seiner schrill überdrehten Choreographie amüsiert und mit dem live vorgeführten Abbild in unserer Alltagswelt zugleich erschreckt.

Außergewöhnliche Stadterkundungen sind ein Markenzeichen des Asphalt-Festivals. Die Gründer des Sommer-Spektakels, Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen und Musiker Bojan Vuletic, und das Theaterkollektiv per.Vers, treffen diesmal mit der „Sous-Terrain“-Tour einen empfindlichen Nerv: Ihr Avaler, in dem Kultur ein Nahrungsergänzungsmittel ist und im New Balance Center jeder Mensch schön sein kann, ist nicht weit entfernt von Le Flair und dem neuen Quartier Central, das als Best-Practice-Beispiel dient.

Die Besucher erfahren hier auch außerhalb des Busses, wie sich dieses Leben anfühlt. Wollen wir das wirklich? Oder sind die durchdesignten Fassaden nicht ebenso falsch wie die grell geschminkten Gesichter dieser plappernden Animateure, die nur heimlich am Handy die Haltung verlieren und mit „das kommt alles weg“ gegen Unplanmäßiges anschreien.

Bevor aber der Höhepunkt der Inszenierung im dunklen Eisenbahn-Tunnel am Wehrhahn Raum für überraschend alternative Lebensentwürfe offenbart, wundern sich die durch die Gegend geschaukelten Gäste über das zeitgenaue Auftauchen von dynamischen Müttern, die sich gerade ihre High-End-Buggys zuwerfen, als im Bus vom Spa-Beauty-Fitness-Center „La Vu“ geschwärmt wird. „Lauf Mama lauf — schon drei Wochen nach der Geburt sind Sie ganz die Alte. Pas mal, oder?“

Perfekt passt das gelbe Schild der Unternehmerstadt Derendorf mit seiner Zeile „Arbeiten und Leben“ zum Corporate Design der Agentur. Ist das echt? Es ist! Wir nähern uns dem Ziel von Avaler, das sich organisch einfügt in die bereits realisierten Projekte Le Flair, Pandion oder Ciel et Terre. In diesen Häusern gibt es Systeme, die sich kümmern: Sogar der Kühlschrank wird dank intelligenter Technik automatisch befüllt, versichert die zitronengelbe Dame. Wie zufällig geht ein gut aussehender, gut gekleideter Mittvierziger vorbei, schultert lässig ein Bobbycar und sagt: „Stimmt. Das ist hier so.“ Wir sind angekommen.