Düsseldorf Auf der Hammer Straße dröhnen teure Boliden
Auf der Hammer Straße dröhnen die Lenker teuer Boliden sehr laut hin und her.
Düsseldorf. Es gibt ja Menschen, die es mögen, wenn Automobile akustisch belegen, dass sie Hunderte von Pferdestärken unter ihren Hauben beherbergen. Die fahren dann an den Nürburgring oder nach Spa und zahlen viel Geld, um irgendwelchen Boliden beim Wummern zuzuschauen. Kann man auch billiger haben. Zum Beispiel an einem lauen Freitag oder Samstag. Später Nachmittag, früher Abend. Tatort Hammer Straße. Da gibt es bei meinem Lieblingsvegetarier feine Logenplätze für ein Spektakel, das man so hautnah sonst selten erlebt.
Ich setze mich gerne draußen in die erste Reihe, genieße mein köstliches Gemüse und habe Spaß am Beobachten. Die Bühne ist groß, den Hintergrund bilden die Gehry-Bauten. Kann man es prächtiger haben? Auftritt von links. Man kann schon früh hören, dass da wer kommt. Es klingt nach Götterdämmerung. Ein dumpfes Grollen. Auf dem Lande würde ich spontan nach oben schauen, weil ich ob der akustischen Schwellung Tiefflieger vermutete. Aber im Hafen ist klar, dass das Grollen von der Straße kommt. Ein Lamborghini ist es. Oder ein Ferrari? Ich kenne mich da nicht so ganz genau aus. Aber ich weiß, dass diese mobilen Kraftwerke locker den Wert einer respektablen Eigentumswohnung mit Rheinblick repräsentieren.
Schließt man die Augen, kann man besonders gut wahrnehmen, wie sich das Geräusch durchs Panorama pflügt. Voll Stereo. Erst links, dann mittellinks, dann in der Mitte, dann halbrechts, rechts, und weg. Eine Weile vibriert mein Brustkorb nach, weil diese PS-Monster sehr basslastig dröhnen. Wie schön wäre es, hier zu wohnen. Dann könnte man immer dabei sein, wenn die Männer in den Boliden aufdrehen.
Ja, die Männer. Es sitzen immer Männer in diesen teuren Kisten. Nur Männer können Spaß haben an diesem im Prinzip ja komplett sinnlosen Aufheulen. Frauen sind zu intelligent, um an sowas Freude zu empfinden. Und wenn sie das doch mögen, dann hocken sie meist auf dem Beifahrersitz neben dem Typen, der gerade seine Pferdestärken antreibt, weil man das ja offenbar muss, um sich auf der Hammer Straße Respekt zu verschaffen. Hier gilt samstags nicht sehen und gesehen werden. Hier gilt hören und gehört werden.
Auftritt von rechts. Ein Düsenjäger. Ganz bestimmt. Ich kann den Kavaliersstart an der Einmündung zur Stromstraße nicht sehen, aber ich kann ihn hören. Es dröhnt als überfallartiges Crescendo in meinen Ohren, in meinem Kopf, in meiner Brust. Ein Porsche. Naaaaaatürlich. Drinnen sitzt ein Mann. Was sonst. Obwohl, so ganz genau kann ich das nicht sehen, weil viele dieser Gefährte stark getönte Scheiben haben. Aber ich glaube einfach mal, was ich glauben will.
Bei der Formel 1 erkennt man ja während des Rennens auch höchstens an Farbschattierungen, wer da am Steuer sitzt. Noch mal Auftritt von rechts. Ein Maserati. Allerdings unentschlossen im Anzug. Vergleichsweise leise. So kann man nichts werden auf der Hammer Straße. Da muss man schon mal für kurze Strecken das Bodenblech strapazieren. Sonst nimmt einen hier doch keiner wahr.
Und die Wahrnehmung der anderen ist schließlich die Währung, in der hier gezahlt wird. Gäbe es sonst einen Grund, sich in die engen Hafengassen zu drängen mit raubkatzartigen Blechgeschossen, deren natürliches Habitat doch eher die Autobahn ohne Tempolimit sein sollte?
Nicht jedem ist es gegeben, bis zu meiner persönlichen Bühne von Null auf Hundert zu kommen. Manche sind einfach akustische Versager. So wie der tiefer gelegte Dreier-BMW mit den dicken Auspuffrohren. Im Vergleich zu den dicken Dingern klingt er wie ein Mäuschen. Dafür hupt der Fahrer, als vor ihm jemand in langsamer Fahrt nach einer Parklücke sucht.
Das mit dem Hupen ist Autofahrersprache. Es soll dem Voranfahrenden signalisieren, dass hinter ihm ein Idiot fährt. Hup, hup, hier kommt ein Idiot, hup, hup. Die größten Brüller halten nach meiner Erfahrung übrigens selten an. Sie fühlen sich offenbar als scheues Wild, das schwerer zu treffen ist, wenn es in Bewegung bleibt.
Aber vielleicht hat mancher dieser aufdringlichen Krachmacher auch einfach nur Angst, dass er nach dem Aussteigen an seiner vorangegangenen Phon-Emission gemessen wird, dass eine Relation aufgestellt wird zwischen der Größe der Karre und des zugehörigen Hirns und dessen persönlicher Einschätzung der individuellen Geschlechtsteildimension. Großes Auto, kleiner…
Natürlich ist das Quatsch. Aber auf solche Gedanken kommt man, wenn man an einem lauen Samstagabend beim Vegetarier sitzt, Limo trinkt und die Sinne verwirbeln lässt. Vielleicht klappt das noch ein paar Mal, bevor es zu kalt ist zum Draußensitzen. Ich habe den Wetterbericht im Auge. Beim nächsten Sprint bin ich wieder dabei.