Basteln gegen Schuldgefühle und Wut
An der Georg-Schulhoff-Realschule in Vennhausen gibt es eine Gruppe für Kinder aus Trennungs-Familien.
Düsseldorf. Katharina (Name geändert) war im vierten Schuljahr, als es zu Hause „komisch“ wurde. „Meine Eltern haben sich ganz oft gestritten. So schlimm, dass Mama an Weihnachten nicht bei uns war“, erinnert sich die Zehnjährige. Als die Streitereien immer mehr zunahmen, zog ihr Vater aus. Kurze Zeit später musste auch ihre Mutter die Mietwohnung verlassen. Katharinas Welt geriet ins Wanken. „Ich bin immer mal hier, mal da gewesen. Ich war nur noch traurig, habe kaum mehr gespielt oder gelacht.“
Mit dem Schulwechsel kam Besserung: Katharina fand einen Zettel an ihrer neuen Klassentür. In Form eines Herzens. „Mit ganzem Herzen — eine Gruppe für Scheidungs- und Trennungskinder“ stand darauf. „Seitdem ich die Gruppe regelmäßig besuche, fühle ich mich besser. Wir reden und basteln viel. Ich kann jetzt akzeptieren, dass meine Eltern nicht mehr zusammen sind.“
Wenn es Katharina dennoch manchmal schlecht geht, die Trauer in ihr hochsteigt, dann schaut sie auf ihre „Schatzkiste“. Die hat sie in der Schule gebastelt. „Ich habe sie schön angemalt und Sachen hineingesteckt, die mir wichtig sind.“ Und die sie daran erinnern, dass es viele Gründe in ihrem Leben gibt, um fröhlich zu sein.
Seit eineinhalb Schuljahren gibt es das Angebot für Kinder aus Scheidungs- und Trennungsfamilien an der Georg-Schulhoff-Realschule. Schulsozialarbeiterin Scarlet Simons (Deutsches Rotes Kreuz) hat die Gruppe gegründet. „Ich selbst bin ein Scheidungskind, meine Kinder sind Scheidungskinder. Ich weiß also, dass es wichtig ist, in so einer Situation das Herz zu stärken, sich selbst zu stärken und für sich in dieser Situation das Beste herauszuholen“, sagt sie.
So werde in der Gruppe viel gebastelt. In die Traum-Wolke, die Wunsch-Sonne oder in den Stärken-Baum malen die Kinder, was ihnen wichtig ist, was sie gerne und gut machen, was sie glücklich macht. „Sie lernen, dass sie die Situation mit ihren Eltern zwar nicht ändern können, aber etwas tun können, um sich selbst besser zu fühlen“, so Simons.
Auf den verschiedenen Basteleien der acht Kinder, die auch heute erschienen sind, finden sich viele Einträge. „Auf meinem Pony reiten“, ist zu lesen oder „Ich habe gute Noten in Sport“. Auch bemalte „Kummersteine“ oder „Sorgenpüppchen“ sollen die Kinder zu Hause an das erinnern, was sie in der Gruppe lernen: Es gibt viele Dinge, die ich gut kann und die mir Freude bereiten. „Wenn ich traurig bin, dann erinnere ich mich zum Beispiel daran, dass mich Basteln glücklich macht. Und dann hole ich meine Bastelsachen heraus“, sagt ein Mädchen.
Die individuellen Geschichten der Kinder finden in der Gruppe, die sich einmal wöchentlich trifft, keinen Platz. „Dafür kommen die Schüler in die Einzelberatung“, sagt Simons. Aber auch in der Gruppe kommen Gefühle wie Wut oder Schuldgefühle immer wieder hoch. „Die Kinder denken, wären sie nur braver gewesen, dann hätten die Eltern nicht so viel Stress gehabt und es wäre nicht zur Trennung gekommen“, sagt Simons. In der Gruppe spricht sie deshalb auch solche Themen an. Sie liest selbst geschriebene Geschichten vor, in denen sich die Schüler wiederfinden. Anschließend wird über die Geschichte gesprochen, dann gebastelt.
Heute geht es in der Geschichte um ein Paar mit zwei Kindern, das sich schließlich auch trennt. Die Kinder fühlen sich schuldig, streiten untereinander. Da hat der Vater eine Idee: Er kauft schlichte Styropor-Herzen, die von seinen Kindern mit Marmorierfarbe gestaltet wurden. Dabei sagt der Vater zu seinen Kindern: „Ohne euch wäre unsere Welt so einfarbig und langweilig wie dieses Styropor-Herz. Erst ihr habt unsere Welt so bunt und schön gemacht. Fühlt euch ganz doll geliebt.“
Nach der Geschichte machen sich die Schüler ans Werk und tunken die weißen Styropor-Herzen nach und nach in die Farben. Katharina versteht, was Scarlet Simons ihr mit dieser Bastelarbeit auf den Weg geben will: „Ich weiß, dass meine Eltern mich sehr lieb haben“, sagt sie.