Düsseldorf Beifall für die Avantgarde in den Röhren
Düsseldorf eröffnete die Wehrhahn-Linie und wurde für die Architektur und die künstlerische Gestaltung sogar international gelobt.
Düsseldorf. Die New York Times preist soeben die „Kunst und Magie in der deutschen Metro“ und zeigt ein Foto, wie sich eine grüne Farbmalerei über den Tunnelschlund wölbt. Museumsleute, Künstler und Fahrgäste feierten am Samstag die Eröffnung der sechs neuen U-Bahnhöfe in der Düsseldorfer Innenstadt. Ein dickes Lob bekamen nicht die Ingenieure, denn deren technische Meisterleistungen sieht niemand, sondern die Künstler. Von 843,6 Millionen Euro wurden drei Millionen Euro für ihre Werke abgezweigt. Die Kreativen revanchierten sich mit Kunst zum Anfassen, Hören und Sehen. Sie locken in die Unterwelt mit frohen Farben und fantastischen Klängen.
Den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb hatten die Netzwerk-Architekten aus Darmstadt unter Jochen Schuh zusammen mit der Künstlerin Heike Klussmann gewonnen. Sie heckten das Konzept der kommunizierenden Röhren und der Schächte für die Bahnhöfe aus. In einem zweiten Wettbewerb wurden Künstler mit Düsseldorf-Bezug gewonnen und in die Überlegungen der Planer und Ingenieure eingebunden. Architekt Jochen Schuh wertet dies als „Glücksfall“. Hier die Ergebnisse:
Ralf Brög arbeitete mit berühmten Kollegen. Jörn Stoya sammelte frühmorgens 5000 Vogelstimmen auf einem Friedhof, um sie im Studio von Kurth Dahlke, Pionier der Elektro-Szene (Fehlfarben etc.) in eine dreidimensionale Klang-Illusion zu übersetzen. Beim Benutzen der Rolltreppe wird nun der Fahrgast vom verfremdeten Gezwitscher über 48 Lautsprecher begleitet. Über der Rolltreppe hängt ein Sound-Objekt mit Vibrafonmusik von Stefan Schneider, Mitbegründer von Kreidler. Schließlich darf sich der Fahrgast am Zugang Carschhaus an Monteverdis Oper von Orpheus in der Unterwelt vergnügen. Derlei „Konzerträume“, so Brög, lassen sich vielfach nutzen. Gleichzeitig hat der Künstler Rillen von Schelllackplatten in Grafik übersetzt.
Ursula Damm lässt über dem Jan-Wellem-Platz Tag und Nacht die Video-Kamera laufen. Sie nimmt die Passanten in Echtzeit auf und kombiniert deren verschwommene Bilder mit abstrakten Dreiecken, Kreisen und Rechtecken. Der Molekularbiologe Felix Bonofsky hat ihr geholfen, die grafischen Teile mit den menschlichen Bewegungen zu stets wechselnden Bildern zu kombinieren. Die freien Wände taucht sie in ein bengalisches Blau.
Manuel Franke holt den Frühling in strahlendem Maigrün in die Station Graf-Adolf-Platz. „Ich will die Natur unter die Erde bringen. Die Leute sollen sich an den Schwanenspiegel erinnern, wenn sie hinabsteigen“, sagt er. Der Künstler hat das Unmögliche möglich gemacht, hat meterweise Glasplatten mit strahlendem Grün besetzt und teilweise die Farbe mit Spachtel, Pressluft und Lösungsmittel entfernt, um in die Zwischenräume ein Grauviolett zu setzen. „Ich will, dass auch die U-Bahn-Wagen durch das Bild fahren“, sagt er und besetzt selbst die Tunneleinfahrt mit seinen Farben.
Enne Haehnle hat gedichtet. Ihre Station Kirchplatz besteht aus einer sehr abstrahierenden Schreibschrift, in der Texte vom Aufgang der Sonne oder Sprachspiele von der Leere und Fülle zu lesen sind. Sie hat dazu schwere Vollprofil—Stahlrohre verzinkt und pulverbeschichtet in Orange. Die Halterungen wurden gleich in den Rohbau eingelassen. Die Schmiedekunst, teilweise vom Tageslicht beleuchtet, wirkt leicht und spielerisch.
Heike Klussmann tritt in doppelter Funktion auf. Sie hat einen optischen Strom aus Rautenformen für alle Röhren geschaffen. Gleichzeitig verlegt sie unter der Pempelforter Straße weiße Bänder über Wände aus Email, Decken aus Aluminium und Böden aus Betonwerkstein. Die Passanten freuen sich an den Intarsien.
Thomas Stricker schließlich lockt an der Benrather Straße in eine Art Raumstation, von der aus der Betrachter das Weltall mit seinen Sternen an sich vorüberziehen sehen kann. An den Wänden zeigt er Code-Wörter wie eine Blindenschrift.