Beim High-Goal-Cup: Pferdetausch im fliegenden Wechsel
Das Polo-Turnier in Wittlaer hat gezeigt: Pferde müssen Kraftpakete sein und noch weitere besondere Fähigkeiten haben.
Düsseldorf. Verschnürt wie ein Päckchen steht es da — das gut bemuskelte Polo-Pferd, das mit vier weiteren kurz angebunden und dösend auf seinen Spiel-Einsatz wartet. Die fünfköpfige Mini-Herde ist nur eine unter vielen, die sich am Wochenende im Düsseldorfer Polo & Country Club an der Lünen’schen Gasse zum High Goal Cup, dem zweiten Turnier der German Polo Tour, versammelt hat. Dicht an dicht reihen sich gut 30 wartende Vierbeiner vor einer langen Stange aneinander. Leicht besattelt und mit scharfem Gebiss gezäumt stehen sie bereit — denn pro Spiel und Polospieler werden mindestens vier Pferde eingesetzt. Beim fliegenden Wechsel zwischen den Spielabschnitten (Chukkas, ca. 15 Minuten) springt der Polospieler von Pferd zu Pferd, ohne dabei den Boden zu berühren.
In Kürze werden die Tiere von ihrem Pferdepfleger zum Spielfeld gebracht. Einer pro Mini-Herde kümmert sich um das Wohl seiner Schützlinge. Füttern, satteln, trensen, bandagieren, die Herde sortieren und abwechselnd zum Spieler zu bringen — das ist der Job eines Pferdepflegers. Auf einem Pferd sitzend kann er bis zu fünf Handpferde am Strick führen. Die Tiere verstehen ihn. Seine Sprache: Spanisch. Die Landessprache des Pferdepflegers sprechen auch die teils deutschen, teils holländischen Reiter. Zwischen ihnen und den Pferden agiert der Pfleger ständig. Er scheint das Bindeglied zwischen zwei Welten zu sein — der Pferde- und der Reiterwelt.
Noch 15 Minuten bis zum Spielbeginn. Den geflochtenen Pferdeschweif zu einem Stummelschwanz verklebt, wird Fliegenabwehr jetzt zweitrangig. Sportliche Praktikabilität ist angesagt. Die Tiere nehmen es gelassen. Scheint es jedenfalls. Oder macht ihnen die Hitze zu schaffen? Vielleicht sind sie müde von der langen Anreise? Oder mögen das deutsche Futter nicht? Schwer zu sagen. Zu fressen gibt es jedenfalls immer das, was Land und Gast-Stall zu bieten haben. Seit zwei Wochen schon. Da kamen einige der Pferde zur Turniersaison per Flugzeug aus Argentinien nach Europa. Mit dem Lkw reisten sie am Donnerstag aus Österreich an, um hier in Zeltboxen unterzukommen. Nun stehen sie in den Startlöchern. Völlig unaufgeregt. Routine vielleicht.
Auch die Pferdebesitzer wirken souverän. In weiter Entfernung zu ihren vierbeinigen Gefährten (eine Mini-Herde gehört jedem Spieler) sitzen die Reiter gestiefelt und gespornt auf Regie-Stühlen, die ihre Namen tragen. „Ein Herzens- oder Lieblingspferd?“ Ja, schon, das habe er auch, sagt der Argentinier Tito Ruiz Guinazu, einer der „Top 30“-Spieler der Welt, in gebrochenem Englisch. Fogata heiße die Stute. Und auf Nachfragen gibt der 29-Jährige auch über das Alter des Tieres Auskunft. Aber Guinazus Blick verrät Skepsis. Fragen nach dem Wesen der Pferde erscheinen ihm wohl unwichtig.
Der erfolgreiche Polo-Sportler (Handicap +8) sieht teilnahmslos auf, als donnernde Hufgeräusche ertönen. Am Spielfeldrand prescht ein Pferdepfleger mit einem seiner Schützlinge in vollem Galopp übers Feld. Die Zügel in der linken Hand, mit dem rechten Arm wild rudernd, stellt sich der Reiter in die kurz geschnallten Steigbügel, stoppt abrupt ab und galoppiert aus dem Stand wieder an. Aufwärmtraining. Ein Feuerwerk reiterlicher Einwirkungen. Die meisten muss das nervenstarke Pferd ignorieren. Denn wenn sich später im Spiel der Reiter ins Zeug legt, um mit einem Stick den Spielball ins gegnerische Tor zu schießen, geht es im Sattel oft wild und unkoordiniert zur Sache.
Anpfiff. Sprintende Pferde, fliegende Rasen-Schnitzel, kreisende Holzschläger, die nur um Zentimeter den Kopf des Pferdes verfehlen, um dann den Hals des Tieres zu treffen. Körper an Körper jagen Spieler und Pferde über das fast sechs Fußballfelder große Spielfeld. Abdrängen erlaubt. Sattelblatt an Sattel- blatt. Knieschoner schützen den Reiter, so auch Martingall und Brustriemen am Pferdehals. Denn beides macht das Kopfhochreißen des Pferdes unmöglich und verhindert so gefährliche Zusammenstöße zwischen Reiter und Pferd. Wie sich das Tier so allerdings ausbalancieren kann, bleibt fragwürdig.
Gehorsam steuern die Pferde in hohem Tempo aufeinander zu, immer wieder stoßen sie zusammen. Unfassbar, dass Fluchttiere zu solchen Aktionen in der Lage sind. „Das liegt an der Zucht und am Training“, sagt Christopher Kirsch, Veranstalter und selbst Polo-Spieler — einer der vier besten Amateursportler Deutschlands. 80 Prozent englisches Vollblut und zehn Prozent argentinisches Creolo steckten im Polo-Pferd. Es habe eine hohe Kondition, sei nicht größer als 1,60 Meter (Stockmaß), wendig und stoppe gut. Die Rasse sei wichtig, Araber zum Beispiel (auch Vollblüter) seien fürs Polo-Spiel unbrauchbar. Sie seien konditionell okay, aber zu nervös und nicht stoppfreudig. Polo-Pferde werden bereits zweijährig angeritten, vom Züchter trainiert und mit vier Jahren verkauft.
Das Leben in den kleinen Herden scheint natürlich und wichtig — immer wieder wiehert ein Pferd einem anderen hinterher, sobald es die Herde verlässt. Und büxt mal eins aus, weil es sich steigend von der Warte-Stange am Spielfeldrand befreit, will es garantiert zum Rest seiner Herde oder läuft dem Pfleger hinterher.
Bis Oktober dauert die Turniersaison. „Dann haben die Pferde Pause und dürfen ein halbes Jahr auf die Weide“, sagt Kirsch.