Sport in Düsseldorf Der Mann muss sich auch führen lassen

Düsseldorf · Der Tanzsport ist gleichberechtigter geworden. Der Boston Club in Eller hat die Zeichen der Zeit erkannt und feierte zuletzt auch deswegen beachtliche Erfolge. Nach dem Bundesliga-Aufstieg gelang in diesem Jahr der Klassenerhalt.

Training der Standard-Formation im Boston Club an der Vennhauser Allee: Der Bundesligist muss hart für seine Ziele arbeiten.

Foto: Marc Ingel

Im Vorjahr ist die Standard-Formation des Boston Clubs in die 1. Bundesliga aufgestiegen – und hat mit Rang fünf im Gesamtklassement der abgelaufenen Saison auch den Klassenerhalt geschafft und sich mit dieser Platzierung sogar die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft im November gesichert. Das ist zunächst einmal alles andere als selbstverständlich, da das Oberhaus im Deutschen Tanzsport eigentlich eine in sich geschlossene Elite bildet, in die sich nur schwer eindringen lässt. Umso bemerkenswerter ist der Erfolg, da das Team in den Corona-Jahren arg gelitten, Trainingseinschränkungen zu verkraften und auch Abgänge zu verzeichnen hatte – was den arrivierten Formationen aus Braunschweig, Ludwigsburg oder Göttingen in diesem Ausmaß sicher nicht passiert ist.

Aber irgendwie schafft es das Trainerteam um Melanie und Uwe Schieren immer wieder, Lücken zu schließen durch junge Nachwuchstalente, die direkt aus der Tanzschule den Weg zum Club an der Vennhauser Allee finden, dann langsam aufgebaut und in das Team mit acht Paaren (plus zwei Ersatz) integriert werden. Gerade ist mal wieder so eine Phase, denn die alte Bundesliga-Choreographie ist quasi Schnee von gestern, nach der Sommerpause wird eine neue einstudiert – und zwar ab dem 25. Juli, wenn immer dienstags und freitags ab 19.30 Uhr Training ansteht. „Wir sind über jeden Neuzugang mit ein wenig tänzerischer Vorerfahrung dankbar, egal ob mit oder ohne Partner. Auch das Alter spielt keine Rolle, das reicht bei uns von 14 bis Mitte 40. Jugendlicher Leichtsinn und jahrzehntelange Erfahrung ergänzen sich wunderbar“, erklärt Melanie Schieren.

Tanzen auf diesem Niveau ist eine Mischung aus Leistungssport und Passion, das verlangt jedem einzelnen und erst recht dem Verein viel ab. „Wenn ich sehe, wie meine Mannschaft einen kompletten Durchgang tanzt, geht mir das Herz auf“, sagt Schieren. Gleichzeitig gilt es aber auch stets, die Reisekosten für Turniere in Berlin oder Nürnberg aufzubringen. „Das geht nicht ohne Übernachtung. Und für den Kleinbus, der vor Corona noch 1000 Euro gekostet hat, müssen wir jetzt 2500 Euro zahlen“, berichtet die Trainerin. Da trifft es sich gut, wenn zwischendurch bei ein paar Showauftritten ein bisschen Geld reinkommt. Denn mit den Kosten für „Auswärtsfahrten“ ist es ja nicht getan. „Fräcke und Kleider, Kosten für Friseur, Schmuck, Schuhe, Make-up, das läppert sich.

Das Team vor dem Boston Club an der Vennhauser Allee

Foto: Marc Ingel

Bei einem Bundesliga-Standard-Turnier tanzen die Formationen der Reihe nach, der Übergang von einem Tanzstil zum nächsten ist fließend, in den 4.30 Minuten (plus Ein- und Ausmarsch) soll dabei nach Möglichkeit eine in sich stimmige Geschichte erzählt werden. Die Musik wird professionell arrangiert und in einem Studio produziert, sie basiert in der Regel auf einem realen Stück, oft aus einem Musical, beim Boston Club war das zuletzt Beauty and The Beast. Das kam auch bei den Punktrichtern überraschend gut an, und so hat der Boston Club dem traditionsreichen Tanzsportclub Düsseldorf Rot-Weiß zumindest vorläufig den Rang abgelaufen.

Genau dort liegen auch die Wurzeln der Standard-Formation des Boston Clubs, die Schierens brachten das dortige B-Team 2004 nach Eller. „Wir leben hier von der Gemeinschaft, es knallt natürlich auch mal, aber wir raufen uns immer wieder zusammen“, erzählt Juliane Merks. Der kontinuierliche Fortschritt sei nicht zuletzt am Trainerteam (inklusive Motivationstrainer Steffen Runge und Athletiktrainer Torsten Preißner) festzumachen. „Tanzen ist Leistungssport, sehr athletisch, aber natürlich nie statisch und entwickelt sich immer weiter. Und Tanzen ist in den vergangenen Jahren auch gleichberechtigter geworden. Der Mann ist nicht mehr das Maß aller Dinge, und die Frau darf mehr, als nur hübsch zu sein und sich führen zu lassen.“

Ob der Boston Club es vielleicht auch mal unter die Top vier schafft, ist schwer zu sagen, die Teams ganz vorne wie Braunschweig oder Göttingen scheinen aktuell kaum zu schlagen zu sein, „aber diese Mannschaften sind für uns Vorbild und Anreiz zugleich“, sagt Merks. Denn wenn vorne einer mal Schwäche zeigt, „dann müssen wir halt sofort da sein“, betont die Kapitänin.