Die Herausforderungen der Zukunft Bürgerdinner: „Warum geht niemand auf die Straße?“

Beim sechsten Bürgerdinner von WZ und Schauspielhaus ging es um nichts Geringeres als die Zukunft.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Es waren mitunter unbequeme Wahrheiten und Themen, die beim sechsten Bürgerdinner von WZ und Schauspielhaus im Jungen Schauspiel in Rath am Montagabend aufgetischt wurden. Zweieinhalb Stunden wurde über die Herausforderungen der Zukunft diskutiert, die viele Politiker im Wahlkampf lieber verschwiegen haben: Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wohnungsnot und Verkehrschaos.

„Ich hab mich ein bisschen unwohl gefühlt. Man wurde von allen Seiten mit Probleme beschossen“, befand ein Besucher ganz am Ende. „Das war Absicht“, entgegnete Gastgeber Stefan Fischer-Fels. Der prophezeite bereits zu Beginn des Abends: „Diese Themen werden uns durchschütteln.“

6. Bürgerdinner von WZ und Schauspielhaus
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Tischredner Jens Martens vom New Yorker Global Policy Forum griff dann auch gleich die Politik scharf an. „Solange ich mit dem Billigflieger von Köln nach Berlin für 20 Euro komme, mit dem Zug aber 120 Euro zahlen muss, läuft irgendwas falsch.“ Es gäbe eine „unselige Verquickung von Wirtschaftsinteressen und der Politik“, was man in NRW zum Beispiel am Festhalten an der Braunkohle sehen könne. Nachhaltigkeit sei immer noch eine Großbaustelle. Der Experte für Armutsbekämpfung und soziale Gerechtigkeit forderte deshalb: „Es braucht mehr Druck und Protest aus der Gesellschaft. Das dürfen wir nicht allein den Dummschwätzern von AfD und Pegida überlassen.“

Der Düsseldorfer Stadtsoziologe Volker Eichener sprach unter anderem die Themen Wohnungsnot und Verkehrschaos an. „Düsseldorf droht am eigenen Wachstum zu ersticken“, prophezeite er. „Die Stadt muss sich fragen, ob man weiter Arbeitsplätze aus dem Ruhrgebiet absaugen will oder ob das Wachstum irgendwann begrenzt wird.“

ÖPNV-Ausbau reiche zudem nicht aus, das Verkehrschaos in der Stadt zu lösen. „Vor allem nicht kurzfristig. Wir brauchen ja schon 30 Jahre, um eine neue U-Bahnlinie zu bauen.“ Stattdessen müsse der Verkehr neu organisiert werden. Es sei schierer Unsinn, wenn jeder ein eigenes Auto besitze. Sammeltaxen seien eine sinnvolle Alternative. „Aber dafür muss sich in unseren Köpfen etwas ändern. Wir müssen besitzen durch nutzen ersetzen.“ Bei der jüngeren Generation habe das Auto als Statussymbol bereits ausgedient, berichtete ein Gast. „Nur bei uns Älteren steckt das noch in den Köpfen.“

Stefan Wenzel vom Düsseldorfer Umweltamt führte den Besuchern vor Augen, wie sich der Klimawandel bereits jetzt in der Stadt auswirke. „Wir klagen noch auf hohem Niveau. Aber langfristig wird so ein Rekordsommer wie 2003 der Normalfall in Düsseldorf werden.“ Wenzel sprach aber auch darüber, was schon jetzt gegen den Klimawandel in der Stadt getan wird. Dabei wurden einige Zielkonflikte deutlich: Um die Wohnungsnot zu lindern, muss neu gebaut werden. „Doch die Freiflächen sind wertvoll, weil sie Frischluftbahnen erzeugen“, so Wenzel. Diese Frischluftschneisen müssen tabu bleiben, so steht es im Koalitionsvertrag der Düsseldorfer Ampel-Koalition.

Viele Themen, die während des Drei-Gänge-Menüs angesprochen wurden, entpuppten sich als schwere Kost. Sorgten aber gerade deshalb auch für Denkanstöße und angeregte wie lebhafte Diskussionen an den Tischen. Einen künstlerischen Impuls lieferten passend dazu Schauspielerin Anke Retzlaff und Musiker Sebastian Fecke, die auf eindringliche Weise Songs wie „Karl der Käfer“ oder „Mein Freund der Baum“ anstimmten.

Apropos Protest: „Alle wissen, dass wir was tun müssen. Aber warum geht niemand auf die Straße?“, fragte eine Besucherin in die Runde und erntete viel Zustimmung. Auch konkrete Forderungen an die Politik wurden formuliert. „In den ländlichen Gebieten muss mehr getan werden. Sonst wollen bald alle in der Stadt leben“, sagte ein Besucher.

„Man kann zu Recht über die Politik meckern. Aber zunächst sollte jeder sein eigenes Verhalten hinterfragen“, entgegnete eine Besucherin, die kürzlich auf Ökostrom umgestiegen ist und kein eigenes Auto hat. Ihre Freunde davon zu überzeugen, es ihr gleichzutun, gelinge ihr bisher aber kaum. „Das scheitert bei vielen schon an den fünf Minuten, die man sich nehmen muss, um den Strom umzumelden.“