Das Abenteuer Mittelalter erleben
Im Mehrgenerationenhaus Hell-Ga in Garath gibt es eine offene Kinder- und Jugendgruppe, die sich regelmäßig in die Zeit der Ritter zurück denkt. Dabei geht es vor allem darum, Verantwortung zu übernehmen.
Eike hält eine Säge fest in seinen Händen. „Das wird eine mittelalterliche Flöte“, erklärt der Neunjährige. Janos Kopka zeigt Eike, wie er die Säge halten kann und gibt ihm Hilfestellung. Zusammen wollen sie so ein Trinkhorn kürzen, damit es nach weiterer Bearbeitung als Blasinstrument genutzt werden kann. Kropka ist 26 Jahre alt, gelernter Schreiner und baut mit der Mittelaltergruppe im Mehrgenerationenhaus Hell-Ga in Garath auch Holztruhen oder Bögen.
„Das Thema Mittelalter ist wie ein trojanisches Pferd, wenn man Kinder und Jugendliche ans Handwerk oder in die Natur bringen möchte“, sagt Barbara Solle. Sie ist die Leiterin der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Mehrgenerationenhaus.
Die Gruppe, die sich mit Rittern, Mägden und Medizinern beschäftigt, hat mehr als 50 Mitglieder — das älteste ist über 80 Jahre alt, das jüngste gerade mal sechs Monate. Was dem neunjährigen Eike an der Gruppe gefällt?
„Wir fahren zusammen in Lager“, sagt er. Dabei besucht die Gruppe mit dem Namen „Principis Turba Saeva“ (des Fürsten wilder Haufen) Mittelaltermärkte in ganz Deutschland. Die elf Jahre alte Emily kann sich noch gut an ihre erste Lager-Erfahrungen im vergangenen Sommer erinnern. Alles war anders als zu Hause in der Großstadt. Geschlafen wird in großen Zelten, einen Kühlschrank gibt es nicht und auch keine kurzweilige Ablenkung mittels Smartphone.
Auch Jeans oder Turnschuhe werden in Kisten verbannt. Zunächst sei das für Emily eine krasse Umgewöhnung gewesen. „Man kann komplett abschalten“, sagt die Elfjährige heute. Emily hat in der Gruppe die Rolle einer Magd übernommen. Und trägt damit bei einem Lager Verantwortung für die ganze Gruppe. Zusammen mit anderen geht sie einkaufen, bereitet etwa Rührei oder Joghurt mit Müsli zu. „Es gibt nur Sachen, die es auch im Mittelalter gegeben hat“, sagt Emily.
Beim Einkauf im Supermarkt könne es vorkommen, dass sie erstaunt angeschaut werden. Denn auch bei der Kleiderwahl, wird sich am Mittelalter orientiert. Emily hat sich erst kürzlich per Hand ein Kleid aus Leinenstoff genäht — natürlich mit Unterstützung der Gruppe. „Jeder hilft mit“, sagt die Elfjährige. Und es gibt genug zu tun. Gerade für Neulinge. „Jeder muss sich einen individuellen Plan für seine Rolle machen“, erklärt Barbara Solle, Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit im Mehrgenerationenhaus.
Alles, was zur Rolle gehört, muss mit eigenen Händen gefertigt werden. Dabei gehe es vor allem auch darum,Verantwortung zu übernehmen, erklärt Solle. Eine Magd kümmert sich um das Essen, ein Medicus passt auf die Lagerapotheke auf und ein Ritter muss sich für Schaukämpfe fit halten. Gekämpft werden darf nur mit stumpfen Schwertern und nach längerer Ausbildung. Der Kampf sei dann wie eine Art Tanz. Vieles sei einstudiert. Ritter darf nur werden, wer zwei Jahre lang in der Gruppe im Mehrgenerationenhaus bewiesen hat, dass er „konfliktfrei handeln“ können.
Wenn gerade kein Lager ansteht, treffen sich die Mitglieder der Gruppe freitagsnachmittags im Mehrgenerationenhaus. Um gemeinsam an der Ausrüstung zu werkeln, zu kochen, zu essen und sich auszutauschen — Alter und Herkunft scheinen dabei keine Rolle zu spielen. Was eine Rolle spielt, erklärt die 24 Jahre alte Malin Beyerlein: „Die Gemeinschaft steht im Vordergrund. Wer mitmachen möchte, muss sich auf unterschiedliche Charaktere einlassen können.“