Düsseldorf. Wer alle Ketten sprengt, landet am Ende schon einmal in ungewöhnlicher Umgebung. Wie Ricky Shayne. Der Löwe am Mikrofon steht seit einem knappen Monat jeden Tag in seinem Büdchen an der Flurstraße in Flingern, um den Hals eine Kette mit einem Kellerschloss.
Und hat sein charmantes Lächeln, das ihn in den Siebziger Jahren zum Liebling der Damenwelt machte, nicht verloren. "Ich bin ein Woodstock-Kind. Jeder Tag ist ein anderer Tag", ist seine Philosophie.
Dass der 64-Jährige eine neue Karriere zwischen Croissants, Cappuccino und Zigaretten begonnen hat, war kein PR-Gag: "Meine Frau Gina hatte die Idee. Ich finde sie toll. Ein Büdchen ist so ähnlich wie das Show-Geschäft."
Und plötzlich haben auch die Medien wieder Interesse an dem Sänger, der einst mit "Mamy Blue" einen Radio-Hit schuf, der auch 38 Jahre später noch rauf- und runterläuft. Vier Fernsehsender waren schon da, sogar die Bunte will dem prominenten Büdchen-Besitzer ein Eckchen reservieren.
Fast jeden Tag ist Ricky gerührt: "Meine Fans haben mich nicht vergessen. Darauf bin ich sehr stolz." Am Mittwoch waren gleich drei Generationen da. Rosanna (57) hat ihr Herz schon vor über 40 Jahren an den Schlagerstar verloren: "Als ich ’Die traurigen Augen’ zum ersten Mal gehört habe. Das war die B-Seite von ’Ich sprenge alle Ketten’."
Mit Tochter Diana (39) und Enkelin Romina (10) ist sie von Limburg bis an den Rhein gefahren, um Ricky zu sehen. Auch die beiden sind mit seinen Hits aufgewachsen. "Das ist ein Star, mit dem man reden kann", ist Diana hin und weg. Da holt Ricky seine alte Yamaha-Gitarre heraus, die schon viele große Bühnen gesehen hat, und singt "Hey, Joe" für das Damen-Trio.
Vor zehn Jahren ist der Weltenbummler in Düsseldorf vor Anker gegangen: "Damals hatte ich noch einen Textil-Großhandel. Darum war die Modestadt für mich ideal." Den hat Ricky mittlerweile aufgegeben, auch von dem Geld aus der Musikkarriere ist nicht viel übriggeblieben: "Wo es ist? Ich weiß es nicht. Ich habe gelebt."
Von Reue ist bei dem Mann nicht einen Augenblick lang die Spur. Mit Ehefrau Gina ist er seit 22 Jahren verheiratet und die beiden gemeinsamen Söhne Tarek (16) und Imram (14) sind sein ganzer Stolz.
Tarek spielt Gitarre und singt, sein Bruder sitzt am Schlagzeug: "Am 1. April haben die beiden ihren ersten großen Auftritt in der International School. Sie spielen Songs von Jimi Hendrix." Wie "Hey, Joe", das schon der Papa gern gesungen hat.