Das Finale beim Akademierundgang
Rund 45 000 Besucher kommen an die Eiskellerstraße. Am Wochenende wird der Ansturm erwartet.
Düsseldorf. Der Sicherheitsdienst am Eingang der Kunstakademie drückt und drückt auf seine Zählmaschine.
6800 Besucher waren es am Mittwoch, 8000 am Donnerstag. Am Freitag hörte der freundliche Mann gar nicht mehr auf, die Leute zu erfassen. Und der Endspurt kommt erst noch. Dann werden wieder rund 45 000 Menschen registriert sein.
Was sie treibt, all die junge Kunst zu bestaunen, sagt Lise Willems aus Duisburg: „Hier herrscht eine tolle Atmosphäre. Ich habe das Gefühl, hautnah bei der Kunst zu sein. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen der Hochkultur in den Museen und diesen Ateliers. Es macht einfach Spaß, dabei zu sein.“
Thema des Tages: Akademierundgang
Bei früheren Rundgängen kamen die Leute und staunten schweigend. Das ist nicht mehr so. Die Gäste bilden eine eingeschworene Menge, sie ist längst zum Stammpublikum geworden. Schulklassen stehen nicht mehr gelangweilt herum, sondern interessieren sich.
Und die Erwachsenen, unter ihnen alle Schichten der Bevölkerung von der Hausfrau bis zum Pfarrer und Architekten, sind derart vertraut mit den Eleven, dass sie sie oft sogar namentlich ansprechen. Die frischgebackene Absolventin der Trockel-Klasse, Doreen Kiesling, lobt die Besucher geradezu: „Sie stellen sehr sachdienliche Fragen. Es ist erstaunlich, wie sie in den letzten Jahren genau sehen gelernt haben.“
Niemand hat Scheu, den Studenten Löcher in den Bauch zu fragen. Mercedes Neuß aus der Fritsch-Klasse erzählt von ihrem Neffen und dessen Konterfei in Marmor. Sie habe ihn fotografiert, im Wohnzimmer beim Spielen beobachtet und schließlich vom Ton- übers Gipsmodell in den Stein überführt. Sogar den letzten Pfiff verrät sie: „Ich habe den Oberkörper mit Steinschleifpapier geglättet und den Unterkörper mit einem Drucklufthammer bearbeitet.“
Es gibt immer wieder erstaunliche Situationen. Die angehende Bildhauerin Marina Dimitrijevic wird plötzlich von einer Frau aus Kaarst aufgefordert, ihre Hände zu zeigen. Vorausgegangen ist ein Gespräch, in dem die Cragg-Schülerin ihre muskeltreibenden Arbeit schildert. Als die Besucherin vom Stahlblech erfährt, entfährt es ihr: „Ich habe immer gedacht, Bildhauerei sei reine Männersache. Aber Sie haben wirklich kräftige Hände.“
Die Kommentare werden neuerdings auch als SMS abgeschickt, denn überall hängen die Handynummern aus. Julia Wilczewski aus der Deacon-Klasse erhält eine Lobeshymne zu ihrem Silikonelefanten gemailt.
Der Rundgang ist anstrengend, denn 701 Studenten machen mit, manche mit drei und mehr Arbeiten. Dazu braucht man eine gute Kondition. Die Gäste wissen das. Niemand schleppt dicke Taschen oder schwere Pelze mit sich herum. Wer kommt, gibt sich sportlich, ist aber froh, wenn er im „Surrealen Wohnzimmer“ des Poeten Durs Grünbein landet.
Der berühmte Dichter sorgt mit seiner Klasse nicht nur für Kuriositäten, sondern auch für ein weiches Sofa zum Sitzen. „Die Leute sind bei uns froh, dass sie Platz nehmen können“, sagt die Malerin Klara Virnich. „Sie finden den Raum sehr gemütlich und führen mit uns wunderschöne Gespräche.“
Manchen Studenten ist das fast schon zu viel. Vor Raum 301 sind fünf dunkelgrüne Hängematten aufgebaut. Luka Kurashvili schaukelt glücklich vor sich hin. Der Jungmaler meint: „In der Hängematte lassen einen die Leute in Ruhe.“
Eines allerdings ist anders als sonst. Es wird weniger Kunst verkauft. Vor Raum 115 sitzt Jasmin Reif, vor sich 500 flott und witzig gezeichnete Blätter zum Spottpreis von 20 Euro das Stück. Jasmin hofft auf Kundschaft am Wochenende: „Selbst zu diesem Preis ist es schwer, Bilder zu verkaufen“, klagt sie.