Stadtteilleben Oberbilker wollen einen besseren Ruf
Oberbilk · Im Düsseldorfer Stadtteil liegen acht Straßen und Plätze, die in einer Statistik der NRW-Landesregierung als gefährliche Orte gelistet sind. Das hat laut Experten eine Dynamik in Gang gesetzt, die das Verhältnis von Anwohnern und Polizei verschlechtert. Oberbilk kämpft nun um seinen Ruf.
Ein beunruhigendes Gespräch führte Mithu Sanyal vor einiger Zeit mit ihrem Sohn. Der 17-Jährige wohnt mit seiner Mutter in Oberbilk, er geht in Düsseltal aufs Gymnasium. Der Schüler erzählte seiner Mutter, dass er in seinem Stadtteil zuweilen von der Polizei kontrolliert wird und erfuhr, dass es seinen Mitschülern in anderen Stadtteilen eigentlich nie so geht.
Für Mithu Sanyal ist das ein Zeichen, dass Oberbilk von Polizei und Ordnungsamt anders wahrgenommen wird als andere Teile der Stadt. Die Folge dieses Missverhältnisses zwischen Bürgern und Ordnungskräften: „Viele würden in Gefahr nicht die Polizei holen, weil sie annehmen, dass die Beamten gegen sie sind.“
Wie diese Situation verbessert werden kann, wie die Bürger sich fühlen und welche Probleme es sonst noch gibt in Oberbilk, das alles wurde nun diskutiert bei einem digitalen Runden Tisch. Fast 50 Teilnehmer umfasste die Runde mit dem Titel „Verrufen, nein danke! Ein Stadtteil schert sich um seinen Ruf“. Gastgeber war der Verein „Arbeit und Leben“.
Dass Oberbilk von der Polizei als gefährlich wahrgenommen wird, liegt an einer von der NRW-Landesregierung im Mai veröffentlichten Statistik, die eine Liste besonders gefährlicher Orte beinhaltet. Acht dieser Straßen und Plätze liegen in Oberbilk.
Die Nennung des Stadtteils als gefährlicher Ort habe eine Dynamik in Gang gesetzt, sagt Alexander Bosch. Der Sozialwissenschaftler hatte sich aus Berlin zugeschaltet und sagte: „Durch so eine Statistik wird ein gefährlicher Ort erst geschaffen.“ Denn nun habe Oberbilk erst recht den Ruf, weniger sicher zu sein als andere Stadtteile – was im Übrigen wenig mit dem Gefühl der Bewohner übereinstimmt, fügte Mithu Sanyal hinzu.
„Die Anwohner fühlen sich gar nicht, als leben sie an einem gefährlichen Ort. Nun aber werden sie stigmatisiert.“ Ähnlich empfindet das auch Angelica Garcia. Sie wohnt seit 2009 in Oberbilk und sagte: „Die Menschen finden ihren Wohnort super. Die Polizeistatistik macht mich richtig wütend.“ Eine andere Bürgerin kritisierte, dass eine ehemals für Oberbilk gegründete Polizei-Sonderkommission „Casablanca“ hieß. „Ein Name sollte bewusst nicht stigmatisierend gewählt werden“, sagte sie.
Thorsten Fleiß, Leiter der Polizeiinspektion Düsseldorf-Mitte, nahm Stellung. „Die Soko wurde von der Polizei gegründet, um Taschendiebstähle in der Innenstadt zu untersuchen. 70 Prozent der Tatverdächtigen hatte einen nordafrikanischen Migrationshintergrund. Heutzutage würde eine Soko nicht mehr so genannt“, sagte Fleiß.
Das Viertel sei im Wandel und stünde unter großem Druck, sagt Tim Lukas, der als Teilnehmer ebenfalls in der digitalen Runde saß. „Oberbilk hat den Ruf, ein aufstrebender Stadtteil zu sein“, sagt er. „Nun ziehen viele Bürger einer neuen Mittelschicht her, sie beschweren sich aber schnell, wenn ihnen etwas auf der Straße nicht passt.“
Beschwerden kämen auch von alteingesessenen Oberbilkern, bemerkte Thorsten Fleiß. „Sie sagen, die Drogenkriminaliät habe zugenommen und sie fühlen sich nicht mehr sicher.“ Gemahnt wurde auch, dass die Bedrohung durch Rechtsradikale in Oberbilk steige. Grundsätzlich aber würde sich der Stadtteil dynamisch und positiv entwickeln durch den Zuzug von Bürgern aus anderen Teilen Düsseldorfs und auch aus anderen Städten, so Fleiß.
Damit alle Anwohnergruppen friedlich in Oberbilk leben können, hatte Alexander Bosch einen Vorschlag. „Alle sollten in den Dialog miteinander treten, um Gegengewichte zu illegalem Tun zu bilden.“ Bei den Zuhörern kam die Idee gut an. „Wir müssen verhindern, dass die gesellschaftlichen Guppen auseinanderdriften“, sagt Teilnehmerin Barbara Kemprich. Dass Oberbilk nach der Nennung als gefährlicher Ort oft als Maghreb-Viertel verallgemeinert werde, sei rassistisch. „In Oberbilk wohnen Menschen aus 100 Nationen“, sagte Teilnehmer Dieter Sawalies.
Mithu Sanyal wünscht sich, dass die Menschen deutlich mehr Vertrauen zueinander gewinnen würden. „Wir alle unterschätzen unsere Fähigkeit, jeden Menschen gleich zu behandeln“, sagt die Kulturwissenschaftlerin und Autorin. „Wir müssen aktiv gegen Rassismus eintreten.“