Woche 9: So läuft es im Home-Office mit Kindern in Zeiten von Corona Der Muttertag, an dem ich mir wünschte, einen Tag lang mal keine Mutter zu sein

Düsseldorf · So läuft es im Home-Office mit Kindern in Zeiten von Corona

Das Faden-Labyrinth – nicht ständig ans Aufräumen denken.

Foto: Ines Arnold

Die Holzdiele knarzt unter den Füßen des Missetäters, es folgt das verräterische Quietschen der Schranktür. Panik steht ihm ins Gesicht geschrieben – völlig zu Recht. Was jetzt passieren wird, geht auf seine Kappe. Ich habe ihm vorher gesagt, dass er damit nicht durchkommen würde. Er wusste es mal wieder besser und ging das Risiko ein. Nun steht er da, in der Position verharrend. Das Glas Schokocreme in der Hand. „Aha“, keift das Kind, das wie hingebeamt im Türrahmen steht und ihn genau im Visier hat. Ich lehne mich zurück. Der hilfesuchende Blick meines Mannes prallt an mir ab. Das soll er jetzt mal schön allein ausbaden. In den vergangenen acht Wochen, die wir mit unseren drei Kindern zu Hause waren, hat sich hier ein regelrechtes „Vater-Bashing“ etabliert. Es gipfelt darin, dass man dem Mann nicht mal seine Schokocreme auf dem Brötchen gönnt. Zumindest nicht an einem Wochentag.

Alles fing damit an, dass mein Mann pünktlich zum Start der Coronakrise und der Kindergartenschließung von seinen Nierensteinen im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie gezwungen wurde und die ersten Tage im Krankenhaus verbrachte. Tage, in denen ich, davon ausgehend, dass diese Krise höchstens fünf Wochen dauern würde, völlig übermotiviert die Kinder dauerbespaßte, damit die eigene Messlatte unerreichbar hoch legte und mein Pulver verschoss. In Woche neun ist nun nichts davon übrig. Meine Bereitschaft, auf dem Boden sitzend Barbie-Haare zu kämmen oder den 27. Lego-Streichelzoo aufzubauen, geht gegen null. Die Kinder haben mich aber offenbar immer noch als die einzige Person in diesem Haushalt abgespeichert, die zumindest körperlich in der Lage wäre, mit ihnen in Mission-Impossible-Manier durch das Labyrinth von Wollfäden zu robben (siehe Foto) und brüllen dementsprechend in zehn von zehn Fällen erst mal nach Mama.

Fair ist die neue Allianz gegen den Vater mit Sicherheit nicht. Nicht nur, weil er aufgrund seiner immer noch akuten Beschwerden stark eingeschränkt ist und im Job Versäumtes aufholen muss. Sondern vor allem deshalb, weil ich nun wirklich längst kein leuchtendes Vorbild mehr in Sachen Kinderbetreuung bin. Mein Einsatz als Spielkameradin hat stark nachgelassen und beschränkt sich oftmals darauf, den Zweijährigen davon zu überzeugen, jetzt mal ganz schnell den Schwestern hinterherzulaufen. Ich bin eine Mutter geworden, die vertröstet, die immer schnell noch etwas zu erledigen hat. Die nicht durch das Labyrinth kriecht. Noch schlimmer: Die sauer wird, wenn sie über einen der Wollfäden stolpert und mit der Ferse auf dem Dach des Lego-Streichelzoos landet. Das tut aber auch echt weh.

Es ist okay, keinen Bock mehr zu haben, ständig Streit zu schlichten

Mit meinem Teilzeit-Job stand ich früher jeden Nachmittag nach der Kita parat. Praktisch ohne Einschränkung. Jetzt, ohne klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, nutze ich jede Gelegenheit, um einen klaren Gedanken zu fassen. Das schlaucht. Und die Kinder finden es berechtigterweise auch ätzend. Ich sorge mich gerade wirklich, ob die letzten Wochen der Coronakrise die Eltern-Kind-Beziehung nachhaltig negativ prägen könnten.

Da war mein stiller Wunsch zum diesjährigen Muttertag bezeichnend: Mal einen Tag lang keine Mutter sein zu müssen. Hört sich hart an? Absolut. Aber ich muss mir hiermit versprechen, diesen Satz genau so stehen zu lassen, auch wenn ich spätestens beim Anblick meiner schlafenden Kinder an meinem schlechten Gewissen zugrunde gehen werde. Ich will ihn mit einem Appell an alle Mütter verbinden, die mich beim Lesen gerade nicht verurteilt haben, sondern Solidarität empfinden:

Es ist wirklich nicht verwerflich, uns an einen besseren Ort als ins Home-Office zu wünschen. Es ist okay, keinen Bock mehr zu haben, ständig Streit schlichten, Knoten lösen, ans Haare kämmen oder leise sein erinnern zu müssen. Die ungekämmten Kinder aus dem Sichtfeld von Webkameras herauszuziehen oder immer und immer wieder argumentieren zu müssen, dass Fernsehen gerade keine Option sei. Wir lieben unsere Kinder nicht weniger, wenn wir uns gerade mit dem Titelsong von Flashdance, einer Flasche Sekt und einem Haufen Freundinnen tanzend auf den Tisch in einer schummrigen Altstadt-Kneipe fantasieren. Wir Eltern leisten gerade einiges.

Und anlässlich des Muttertags darf man es auch ruhig mal herunterbrechen, ohne den Männern zu nahe zu treten: Wir Mütter leisten einiges. Die mit Kleinkindern, die mit Schulkindern. Mit mehreren oder einem Kind. Diejenigen, die im Home-Office arbeiten oder diejenigen, die sich nach der Arbeit beeilen, ihr Kind aus der Notbetreuung zu holen. Alleinerziehende. In Teilzeit oder Vollzeit Arbeitende. Selbstständige. Einfach alle Mütter, die jeden Tag versuchen, ihr Bestes zu geben. Was auch immer das unter diesen Umständen gerade ist.

Am Sonntag saß ich mit dem Laptop an der Küchentheke. Schnell noch etwas erledigen. Die Kinder spielten nebenan. Ich wartete nur auf die nächste Unterbrechung. Auf Gekreische, gefolgt von Türknallen und Rufen nach Mama. Mein Mann räumte das Frühstück ab, stellte die Schokocreme zurück in den Schrank. Er durfte sie dieses Mal essen, ohne Konsequenzen zu fürchten. Schließlich war ja Wochenende. Muttertag. Nächstes Jahr, meine lieben Mütter da draußen, sitzen wir nicht in der Küche und schreiben Emails. Wir liegen im Bett mit einem ordentlichen Kater. Und freuen uns darauf, am Nachmittag den Streichelzoo mit unseren Kindern aufzubauen. Tschakka.