Die Bibliothekarin, die in Hassels viel Stadtteilarbeit leistet
23 Jahre leitet Hedwig Lepique die Kinderbücherei. Nun geht sie in Rente und hofft, dass das Angebot bleibt.
Düsseldorf. Hedwig Lepique ist Diplom-Bibliothekarin und hat zudem Sozialpädagogik studiert. „Das passte sehr gut“, sagt die 64-Jährige. Es passte wohl perfekt für ihren Job. 1995 wurde sie als Leiterin der Kinderbücherei im Stadtteil Hassels eingestellt. Im schwierigen Viertel mit vielen Benachteiligten brauchte sie einen Blick, um „über den bibliothekarischen Tellerrand“, wie sie es nennt, zu schauen. Das hat sie 23 Jahre lang in einer Halbtagsstelle gemacht. In wenigen Tagen, Anfang Juli, geht sie in Rente.
Ihr Arbeitsplatz ist die 80 Quadratmeter kleine Bücherei, die sich ebenfalls seit 1995 in der Straße In der Donk befindet. Ein Raum in der ersten Etage des städtischen Kinderclubs und Familienzentrums. Auf den ersten Blick befindet sich die Bücherei in einer idyllischen Lage im Grünen. Auf dem zweiten aber eben auch ganz nah dran an den Problemen von Hassels-Nord, weiß Lepique.
Sie erinnert sich an ihre ersten Tage in Hassels. „Das war eine Herausforderung.“ Es gab eine Lesung mit einem Märchenerzähler. „Die Märchen waren den Kindern aber viel zu lang, sie langweilten sich, fingen an zu spielen, liefen im Kinderclub herum.“ Die Lesungen meist montags sind geblieben, aber das Konzept geändert, angesprochen werden Kitagruppen. Denn in den Schulen, habe man leider kaum noch Zeit für die Führungen in der Bücherei, die den Kindern Lust auf die Bibliothek und das Lesen machen sollen. Und auch die Hemmschwelle nehmen sollen. „Es gibt hier Klassen mit 100 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund. Da sagen mir die Lehrer, dass sie gucken müssen, den Lehrplan überhaupt durchzukriegen“, sagt Lepique.
Deshalb hat sie sich schnell zum Prinzip gemacht, die Leute da abholen, wo sie sind. „Mein Thema ist die Stadtteilarbeit“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin. Sie knüpfte nicht nur Kontakte zu den Kitas oder geht in die Schulen, sondern baute auch mit dem Bürgerhaus Reisholz und der Diakonie ein Netzwerk auf. Gemeinsam stellte man alle zwei Jahre in den Herbstferien das Projekt „Kinder machen Kultur“ auf die Beine. Doch das muss in diesem Jahr ausfallen. Aus personellen Gründen. Denn Lepique ist dann ja nicht mehr im Dienst.
Auch wenn viele Kinder aus bildungsfernen Haushalten kommen, die kleine Bücherei mit den drei Halbtagsstellen konnte die Ausleihzahlen in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich steigern. Waren es 2015 noch 15.611 Ausleihen, stieg die Zahl im letzten Jahr mehr als 19.750.
Gefragt sind in Hassels dünnere Bücher für Leseanfänger ab sechs Jahren. Auch „Star Wars“ gibt’s für die so genannte erste Lesestufe, die lustigen und frechen Geschichten der grünen „Olchis“ sind bei allen beliebt, ebenso wie „Die Drei Fragezeichen“ oder die Detektivgeschichten der drei Ausrufezeichen.
Wenn ein Kind neu in die Bücherei kommt, fragt die Bibliothekarin, welche Hobbys es hat. „Fußball“ hört sie dann von vielen Jungs. Da hat die Bücherei — und das nicht zur WM im Sonderregal — jede Menge Lesestoff.
Lesestoff, den bringt die Büchereileiterin auch in die Flüchtlingsunterkunft an der Kappeler Straße. In Form von ausgedienten Büchern, aber auch dort hat Lepique den Kindern die Abenteuer der „Olchis“ vorgelesen.
Aber natürlich hat die Kinderbücherei auch viele junge „Stammkunden“. Gut 4100 Medien (Bücher, Filme, Spiele) gehören zum Bestand. „Meine Tochter Glara hat fast alle Bücher gelesen“, sagt Kaki Dedar. Die junge Frau kam im Alter von 13 Jahren 1998 aus dem Irak nach Düsseldorf. Seitdem lebt sie in Hassels. Die zehnjährige Tochter geht oft allein oder mit Freundinnen in die Bücherei. „Ich bin mit ihr auch schon zur Zentralbücherei gefahren, doch dort ist es ihr zu groß.“ Und der Weg ist natürlich weit zum Hauptbahnhof. Deshalb hofft Kaki Dadar, dass das Angebot der Bücherei in Hassels so bleibt, denn auch ihr dreijähriger Sohn Rahan soll davon profitieren.
Am Donnerstag, 28. Juni, von 16.30 bis 18.30 Uhr veranstaltet die Kinderbücherei auf der Wiese des Kinderclubs ein Fest mit dem Kölner Spielezirkus. Es ist auch das Abschiedsfest für Hedwig Lepique. Sie wird dann hoffen, dass die Angebote in ihrer Bücherei so bleiben können. Denn zurzeit ist es wohl nicht geplant, ihre Stelle wieder zu besetzen. Aus ihrer Sicht ist Hassels „die zweitwichtigste Bücherei in Düsseldorf nach der Zentralbücherei. Und die 64-Jährige appelliert: „Das muss so bleiben.“
Auch im Ruhestand bleibt die engagierte Frau nicht untätig. Sie lebt in Köln und will dort ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren oder sich einen Job an einer Schule suchen. Nicht nur, um die Rente etwas aufzubessern. Sie sagt: „Der Zugang zur Bildung — das ist mein Thema.“