Schulserie Eine große Schule, die keinen Schüler übersehen will
Düsseldorf · In unserer Serie stellen wir die Schulen der Stadt vor. Unsere Autoren besuchen die Einrichtungen an einem normalen Schultag und berichten davon. Am Ende des Jahres wählt eine Jury die Träger des Schulpreises, den WZ und Stadtwerke vergeben. Dieses Mal: die Dieter-Forte-Gesamtschule.
Luca ist sich ganz sicher: Schon als Baby hat er Trompete gespielt. Jetzt, mit seinen elf Jahren Erfahrung müsse er natürlich weiter an der Technik feilen. Da kam die Bläserklasse gerade recht. Selbstbewusst erzählt der Fünftklässler, dass er auch schon auf der Grundschule viel musiziert habe. „Ich wollte deshalb auch auf der nächsten Schule viel Musik machen.“ Als er hörte, dass es an der Dieter-Forte-Gesamtschule ab Klasse 5 bis 7 eine Klasse gibt, in der die Kinder drei Musikstunden in der Woche haben, sich jeder ein Orchesterinstrument ausleihen und bei Festen auf der Bühne stehen darf, war die Schulwahl entschieden.
Damit entschied sich der junge Musiker für eine der zwei größten weiterführenden Schulen in Düsseldorf. 1300 Schüler in sechs Zügen und 120 Lehrkräfte teilen sich das Gebäude an der Heidelberger Straße in Eller. Damit die große Schule gerade die Neuankömmlinge nicht überfordert, wird das Gebäude räumlich in kleine Einheiten - kleine Schulen - gegliedert. Die Klassen 5 bis 7 liegen im hinteren Bereich der ersten Etage, im vorderen Teil befinden sich die Räume der Oberstufe. Die Klassen 8 bis 10 sind in der zweiten Etage untergebracht, im Erdgeschoss liegen die Fachräume, die von allen Jahrgängen genutzt werden.
Das Ziel der Schulleitung ist es, dass sich trotz der Größe der Schule jeder einzelne Schüler wahrgenommen und wohl fühlt. „Das ist die Voraussetzung, um lernen zu können“, sagt der stellvertretende Schulleiter Michael Biallas. Jede Klasse hat zwei Klassenleitungen, die den Schülern als Ansprechpartner dienen, künftig werden immer zwei Klassen so miteinander vernetzt, dass den Kindern sogar vier feste Bezugspersonen zugeordnet werden. „Jeder Schüler soll merken: Ich werde gesehen und es fällt auf, wenn ich nicht hier bin“, betont Biallas.
Und das gehe über den klassischen Unterricht hinaus. Mit Unterstützung des Stadtsportbundes werden Arbeitsgemeinschaften gebildet, in denen jeder Schüler die Erfahrung macht: Ich kann etwas. „Sei es in der Computer-AG, beim Fußball oder Boxen“, sagt Biallas. Kinder und Jugendliche können sich aber auch in anderen Bereichen einbringen: Es gibt Schulsanitäter, Medienscouts und Streitschlichter. Einige Schülergruppen besuchen regelmäßig Grundschulen der Umgebung, lesen oder experimentieren mit den Kindern. „In jeder 8. Klasse gibt es darüber hinaus jeweils zwei Schüler, die von Psychologen speziell geschult wurden, um den anderen als Ansprechpartner bei Problemen zur Seite zu stehen. Sie haben gelernt aktiv zuzuhören, geschickt zu vermitteln oder auch einfach aufmerksam zu beobachten, wem geht es vielleicht zurzeit nicht gut und wer braucht Unterstützung.“
Das Ziel: Kein Schüler verlässt die Schule ohne Perspektive
Für andere Schüler, die noch mehr Aufmerksamkeit brauchen, gibt es ein spezielles Förderprojekt. „Es kommt immer häufiger vor, dass Schüler schon in Klasse 5 und 6 so auffällig werden, dass sie Gefahr laufen, die Schule wieder verlassen zu müssen“, sagt Biallas. Ein halbes Schuljahr lang werden diese Schüler täglich drei Stunden von einem Lehrerteam „gecoacht“. Sie bekommen ein besonderes Training mit Konzentrationsübungen, Rollenspielen und Bewegung. „Die Kinder entwickeln sich gut“, sagt Biallas. Aber eine Garantie für zwölf weitere Jahre Schule ohne Stolpersteine oder Umwege gäbe es natürlich nicht.
Adil ist schon ein ganzes Stück weiter. Der 16-Jährige will nach der 10. Klasse auf ein Berufskolleg wechseln. Sein Ziel: Automobilkaufmann werden. Seit einem halben Jahr geht der Neunklässler regelmäßig zur Beratung ins Berufsorientierungsbüro auf der zweiten Etage, das täglich von Experten der Caritas, der Agentur für Arbeit und Awo besetzt ist. Stefanie Odenthal von der Awo hat mit Adil Stärken und Interessen besprochen, einen Praktikumsplatz gesucht und hilft ihm nun dabei, seinem Traumjob näherzukommen. Bis zu einem halben Jahr nach dem Verlassen der Schule bleiben die beiden in Kontakt. Denn der Anspruch der Schule ist hoch: Kein Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss oder Anschlussperspektive. Und dieser Anspruch wird laut Ursula Uebbing, der Abteilungsleiterin der Klassen 8 bis 10, auch erfüllt. „Niemand hängt in der Luft“, bestätigt sie. Aktuell kümmere sie sich noch um zwei Schüler, alle anderen seien bereits versorgt - sie wechseln aufs Berufskolleg oder machen eine Ausbildung. Das sei das Ergebnis einer weitreichenden Berufsorientierung, die sich durch die komplette Schulkarriere zieht. „In Klasse 8 sind drei Berufsfelderkundungen vorgeschrieben, bei uns werden fünf bis sieben gemacht“, betont Uebbing.
Neues Projekt zur Begabtenförderung ist gestartet
Aber auch an der Spitze der Schülerschaft wird gefördert. „Uns ist es genauso wichtig, die starken Schüler zu fordern“, sagt Schulleiter Jürgen Weitz. In Kooperation mit der Uni und dem Haus der Talente hat die Gesamtschule ein Pilotprojekt gestartet, das über die bisherige Begabtenförderung hinausgeht. Gaby Heimbach erklärt: „Alle 5. und 6. Klassen sind dabei in einem umfangreichen Online-Screening getestet worden. Ausgewertet wird der Test durch die Universität in zwei Bereichen: Naturwissenschaften und Sprache.“ Die jeweils zehn Schüler mit der höchsten Punktzahl eines Jahrgangs nehmen dann an entsprechenden Projekten teil, die von Lehrern der Schule und zum großen Teil von externen Dozenten durchgeführt werden. Die Förderung und Beratung der leistungsstarken Schüler setzt sich auch in der weiteren schulischen Laufbahn fort. „Auch die leistungsstarken Schüler sollen am Ende der Schule wissen, wie es weitergeht“, so Schulleiter Weitz.
Luca aus der fünften Klasse macht sich noch keine Gedanken, was er später einmal machen will. Dafür hat er ja auch wirklich noch genug Zeit. Vielleicht wird es ja etwas mit Musik.