Kommunalwahl Jeder gegen jeden: Die Oberbürgermeister-Kandidaten von Grünen und FDP im Duell

Düsseldorf · Stefan Engstfeld und Marie-Agnes Strack-Zimmermann diskutieren über Gleichstellung, große Projekte in der Stadtplanung – und eine sommerliche Abschlussfrage.

Die Gesprächsrunde in unserer Redaktion: Alexander Schulte (vorne) und Christian Herrendorf (hinten) interviewten die beiden Oberbürgermeister-Kandidaten.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

In unserer Reihe „Jeder gegen jeden“ diskutieren jeweils zwei Oberbürgermeister-Kandidaten ihre Positionen. Diesmal sind dies Stefan Engstfeld, Landtagsabgeordneter der Grünen, und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Bundestagsabgeordnete und Kreischefin der Liberalen. Beiden war im Gespräch anzumerken, dass sie in der Ampel-Kooperation unerwartet gut zusammengearbeitet haben. Unterschiede zeigten sich bei Frauen-Quote, Kö-Bogen, Hauptbahnhof – und der Frage, wo die beiden zusammen Urlaub machen könnten.

Ihre zwei Mitbewerber sind Verwaltungsprofis. Wieso trauen Sie sich zu, eine Verwaltung mit 10 000 Mitarbeitern und großen städtischen Töchtern zu führen?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Wen meinen Sie jetzt mit Verwaltungsprofis?

Oberbürgermeister Geisel und den Stadtdirektor von Köln, Stephan Keller.

Strack-Zimmermann: Bei Herrn Keller lasse ich das mal dahingestellt, der ist ja von OB Elbers und mir noch eingestellt worden. Ob Herr Geisel ein Profi ist... Man kann das natürlich machen, wenn man viele Jahre Kommunalerfahrung hat. Ich kenne die Strukturen der Verwaltung, und selbstverständlich muss sich ein Oberbürgermeister auch beraten lassen von seinen Dezernenten und Amtsleitern.

Stefan Engstfeld: Man braucht einen gesunden Menschenverstand, politische Erfahrung und gute Beratung. Ich war auch schon stellvertretender Fraktionsvorsitzender und habe Koalitionsverträge ausgehandelt. Ich traue mir deshalb zu, eine Stadtverwaltung zu führen.

Strack-Zimmermann: Die Grünen sind ja stark, aber 10 000 Leute haben Sie auch nicht in der Fraktion.

Engstfeld: Und Sie erst recht nicht.

Wir würden gerne über das Thema Gleichstellung sprechen. Herr Engstfeld, warum treten ausgerechnet die Grünen mit einem Mann an?

Engstfeld: Bei uns gehört die Hälfte der Macht von jeher den Frauen, das gilt für Parteiämter wie für Mandate. Wir sind in den letzten beiden OB-Wahlkämpfen mit einer Frau angetreten, diesmal ist es ein Mann geworden. Die Bürgermeister, die wir bisher gestellt haben, waren zwei Männer. Deswegen plädiere ich dafür, dass wir als Grüne in der nächsten Ratsperiode eine Bürgermeisterin stellen. Dann kommt das in der Gesamtquotierung wieder hin.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann erteilt einer Fortsetzung der Ampel-Kooperation eine Absage, wenn Thomas Geisel wieder OB wird.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Frau Strack-Zimmermann, was würde eine Oberbürgermeisterin anders machen als ein Oberbürgermeister?

Strack-Zimmermann: Es gibt in ganz Nordrhein-Westfalen außer Frau Reker in Köln keine Oberbürgermeisterin. Da kann ich mich Herrn Engstfeld nur anschließen: Die halbe Macht gehört den Frauen, deshalb ist es Zeit, dass wir das hier machen. Ich glaube, dass Frauen anders arbeiten. Ich möchte damit nicht sagen, dass sie besser arbeiten.

Was macht dieses Andere aus?

Strack-Zimmermann: Ich kann das aus den Aufsichts- und Verwaltungsräten sagen, in denen ich war. Beispiel Messe: Da standen bei der Eröffnung der „Boot“ auf der Bühne die Marine, mehrere Männer und die einzigen Frauen, die es da gab, trugen Hotpants und wedelten mit so einem Wuschel. Ich habe dann im Aufsichtsrat gesagt: ,Finde den Fehler.’ Dann hat man die Frauen mit dem Wuschel abgezogen, mehr aber hat sich leider nicht geändert. Schon allein deshalb wäre es mir eine Freude, als Oberbürgermeisterin die Boot zu eröffnen und die Marine zu bitten, Offizierinnen zu schicken. Wenn mehr Frauen im Aufsichtsrat oder in der Geschäftsführung wären, würde man die Frage diskutieren, was das für ein Bild nach außen abgibt.

Engstfeld: Das ist ja genau der Zweck der Quote.

Auch in der Verwaltungsspitze und im Stadtrat sind Frauen unterrepräsentiert. Sind Sie da auch für eine Quote?

Engstfeld: Wenn ich Oberbürgermeister werde, ist es mein Ziel, den Verwaltungsvorstand und die Amtsleitungen 50:50 zu besetzen. Und natürlich gibt es ein Frauenförderprogramm für die Karriereplanung. Die Verwaltung muss deutlich weiblicher werden.

Strack-Zimmermann: Wenn man zurückblickt, ist schon einiges passiert. Wir haben einige Bereiche, bei denen man das vor einigen Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte: Bauen, Planen, Kämmerei, das ist jetzt alles in Frauenhand. Dennoch haben wir noch Luft nach oben.

Engstfeld: Der Knackpunkt ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die muss besser werden.

Ist eine Quote für die Vorstände und/oder die Aufsichtsgremien der städtischen Töchter für Sie denkbar?

Stefan Engstfeld plädiert für eine Frauenquote bei den städtischen Töchtern und in der Verwaltungsspitze.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Engstfeld: Ja.

Strack-Zimmermann: Das wäre sicher hilfreich, aber ich persönlich tue mich mit Quoten schwer.

Thema Stadtplanung. Nun sind Kö-Bogen I und II so gut wie fertig. Wie finden Sie die eigentlich?

Engstfeld: Das ist eine rhetorische Frage, oder?

Strack-Zimmermann: Ich finde, das ist eine sehr nette Frage, die bösartige folgt sicher gleich. Wenn ich da heute bin, finde ich das beeindruckend. Ich glaube, dass viele die seinerzeit kritisch waren, das heute anders sehen. Es ist für die Stadt nach der Rheinuferpromenade wieder ein Megasprung, weil sich auch drumherum alles verändert. Ein großer Gewinn. Ich war skeptisch, als ich das Gebäude im Rohbau gesehen habe, aber durch diese phänomenale Begrünung hat das Gewicht bekommen.

Engstfeld: Mehr Grün für die Stadt und in der Stadt ist immer sehr zu begrüßen. Jetzt, in dem Zustand, kann ich mich damit anfreunden. Man muss nun gute Ideen finden, wie man den Gründgens-Platz bespielt. Ein bisschen ist mir das Ganze zu nah am Hofgarten. Vor allem aber hat man am Kö-Bogen die armen Fahrradfahrer vergessen, die nicht mehr durchkommen. Schade, das würde mir nicht passieren. Es ist wie beim Hauptbahnhof. Da wird viel Geld in die Hand genommen, um den Platz aufzuhübschen. Aber was da angedacht ist an Fahrradstellplätzen und Fahrradwegebeziehungen, ist unzureichend. Wir brauchen mindestens 5000, wenn nicht 10 000 Radstellplätze.

Strack-Zimmermann: Ich bin bei Ihnen. Aber ich glaube, dass auch die Taxiplätze wichtig sind. Wenn ältere Menschen am Bahnhof angekommen, schwingen sie sich nicht aufs Fahrrad. Da brauchen wir einen vernünftigen Ausgleich.

Engstfeld: Wir wollen eine Null-Emissions-Taxi-Strategie. Dann geht das auch mit den Taxiplätzen.

Strack-Zimmermann: Wir sind uns einig im Ziel, aber man muss Menschen Zeit geben. Eine Verkehrswende muss man mit den Leuten machen. Wir haben noch eine Generation in der Stadt, die anders sozialisiert ist, und die muss man mitnehmen.

Engstfeld: Ich möchte den Leuten ja nicht das private Autofahren verbieten, sondern ich möchte ihnen ermöglichen, ihr Auto stehen zu lassen. Ermöglichen ist nur über besseren ÖPNV, mehr Radwege, Gehwege möglich.

Wir kommen auf das Thema Stadtplanung zurück. Gilt für Sie der Grundsatz „Die Kräne müssen sich drehen“?

Engstfeld: Ich finde Bauen, Bauen, Bauen ist nicht die Antwort. Wir müssen genau gucken, wie machen wir was und wo machen wir was, etwa Hochhäuser. Dass wir eine dynamische Stadtentwicklung brauchen, ist selbstverständlich.

Strack-Zimmermann: Ich sehe sich drehende Kräne als Sinnbild. Wenn investiert wird, wenn Häuser renoviert werden, ist das ein gutes Zeichen. Es ist positiv, dass etwas passiert und etwas schöner wird.

Engstfeld: Es kommt auf die Qualität an, nicht auf die Quantität.

Gibt es ein Großprojekt, das Sie mit Ihrer Amtszeit verbinden wollen würden?

Strack-Zimmermann: Ich würde umgehend anfangen, die Rheinuferpromenade zu verlängern.

Engstfeld: Da bin ich dabei – in beiden Richtungen.

Strack-Zimmermann: Ja. Niklaus Fritschi, der die Rheinuferpromenade geplant hat, hat das weiter gedacht. Die Ausarbeitungen sind hervorragend, die Pläne liegen in der Schublade, die kann man rausholen und anpassen. Ich bedauere sehr, dass sechs Jahre ins Land gegangen sind und nichts passiert ist. Das zweite Projekt: Wir würden gerne in Ludenberg, Hubbelrath, Knittkuhl einen neuen Stadtteil etablieren mit klaren Auflagen, wie viele Leute da wohnen dürfen und wie die Verkehrsanbindung geregelt wird.

Engstfeld: Meine Vision ist, dass wir zehn grüne Lebensadern in Düsseldorf implementieren. Zonen, die autofrei sind und in denen es mehr Grün gibt. Solche Straßenzüge sollten auf Vorschlag der Anwohnerinnen und Anwohner geschaffen werden.

Strack-Zimmermann: Wo denn zum Beispiel?

Engstfeld: Die Pfalzstraße in Pempelfort wäre ein Beispiel. Das Projekt entwickelt die Quartiere und erhöht die Lebensqualität. Zehn sind in Düsseldorf sicher zu machen. Wir würden das nicht vorgeben, das sollte aus der Bürgerschaft herauskommen.

Wir möchten zum Verhältnis Ihrer beide Parteien kommen. Wie haben Sie den grün-gelben Ur-Konflikt in der Ampel-Kooperation erlebt?

Strack-Zimmermann: Jenseits der Klischees: Ja, wir haben uns 15 Jahre wirklich beharkt. Ich fand es einen sehr spannenden Prozess. Wir haben 2014 sehr lange verhandelt, weil wir bestimmte Dinge, die uns trennen, im Vorfeld abräumen mussten, bevor das Thema hochkommt. Es ist uns gelungen zu respektieren, dass wir unterschiedliche Sichtweisen haben und dass wir auch zurückgehen müssen in unsere Parteien.

Engstfeld: Wir haben von der grünen Basis 2014 eine hohe Zustimmung bekommen, weil wir gut verhandelt haben.

Strack-Zimmermann: Das Schwierige war nicht der Zweier oder der Dreier mit der SPD, sondern der Vierer mit dem OB. Als Thomas Geisel da so reingrätschte und von seinen eigenen Leuten wieder eingefangen wurde, wurde es kompliziert. Es war ein interessanter Prozess, den ich rückblickend als sehr wertvoll erachte, zu erkennen, dass man in einer Großstadt im demokratischen Spektrum zusammenarbeiten können muss. Anders ist das, wenn wir die Rechtsradikalen und die Linksradikalen kleinhalten wollen, auch nicht mehr machbar.

Engstfeld: Niemand hat gedacht, dass eine Ampel überhaupt möglich ist. Wir haben uns erstmal ausgesprochen, uns angehört, wie der jeweils andere tickt, und was man auf der Basis zusammen hinkriegt. Wenn dann das Ergebnis stimmt, dann funktioniert es, wie man jetzt sieht. Es kommt halt sehr auf die Menschen an.

Strack-Zimmermann: Ich habe im Bundestag sogar Freundschaft mit Claudia Roth geschlossen, und das heißt was. Wenn es um die Rechten geht, passt kein Blatt zwischen uns.

Was haben Sie vom jeweils anderen in den vergangenen sechs Jahren gelernt?

Engstfeld: Es hat viel geholfen, noch diskursfähiger zu werden, in der Sache zu diskutieren und nicht blind in die alten Anti-FDP-Reflexe zu verfallen. Wir haben gelernt, die Andersartigkeit zu respektieren und auch die innerparteilichen kulturellen Unterschiede zu akzeptieren.

Im nächsten Stadtrat könnte es eine Sitzverteilung geben, die eine erneute Ampel ermöglicht. Kommt das für Sie in Betracht?

Engstfeld: Warum nicht? Wir gehen ja nicht zerstritten auseinander, insofern gibt es eine Anschlussfähigkeit.

Strack-Zimmermann: Aber nicht mit diesem Oberbürgermeister.

Engstfeld: Richtig, da sind wir uns wieder einig. Es käme dann auf die Inhalte und die Personen an und auf die Frage, ob am Ende etwas herauskommt, von dem man ehrlich sagen kann: ,Das haben wir gut gemacht’.

Strack-Zimmermann: Ich sage eineindeutig: Mit diesem Oberbürgermeister wird es mit der FDP keine Ampel mehr geben. Deshalb ist es gut, wenn Geisel abgewählt wird.

In wenigen Tagen beginnen die Ferien. Wenn Sie sich vorstellen, zusammen in den Urlaub zu fahren, wohin würde es gehen?

Engstfeld: Ich schlage Juist vor.

Strack-Zimmermann: Schon haben wir ein Problem.

Engstfeld: Nordsee, frische Luft, schöne Insel, urig, das Klima ist sehr gesund und es gibt einen sehr schönen breiten Strand.

Strack-Zimmermann: Mir wäre das wettertechnisch zu unsicher. Ich möchte garantiert schönes Wetter, deshalb bin ich ein großer Griechenlandfreund und sehr gerne am Mittelmeer. Aber wir können uns ja Postkarten schreiben.