Die Frage nach der eigenen Identität

Samstag ist internationaler Coming-out-day. Jugendliche erzählen ihre Geschichte.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Ich bin nicht schwul — oder etwa doch? Das ist eine Frage, die sich die meisten Jugendlichen schon einmal gestellt haben, die sie ins Grübeln gebracht hat, sie nachdenklich gestimmt hat. Es ist eine Frage, die so elementar zu sein scheint, über die aber nur wenige offen reden. „Coming out“ bezeichnet den Prozess des Anerkennens der eigenen Homosexualität, des Aus-Sich-Herauskommens, den Beginn des offenen Dialoges eines jeden Einzelnen über die individuelle Sexualität.

„Es ist ein Prozess, der sich über ein ganzes Leben zieht“, sagt Jana Hansjürgen (Foto unten). Sie ist die Leiterin des schwul-lesbischen Jugendzentrums Puls an der Corneliusstraße, auch sie selbst ist homosexuell. „Wer sich einmal outet, ist damit noch lange nicht fertig“, sagt sie. In jeder neuen Umgebung beginne alles von vorne — egal, ob es sich um einen neuen Arbeitsplatz, eine neue Schule oder einen neuen Freundeskreis handele. Sie kennt die Geschichten vieler junger Menschen, die bei ihr Hilfe suchen, sich Tipps abholen, ein offenes Ohr finden. „Jede Coming-out-Geschichte ist anders, viele sind positiv, viele aber auch negativ verlaufen“, sagt Hansjürgen. Ein perfektes Outing nach Schema F gebe es nicht — jeder Umkreis ist anders, jeder Mensch geht unterschiedliche Wege.

Anlässlich des deutschlandweiten Coming-out-Days am Samstag, haben Jugendliche ihre Geschichten aufgeschrieben, sie erzählt und so geschildert, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Sie wollen anonym bleiben, ist es doch ein hochsensibles Thema, über das sie reden, sich austauschen.

Es sind niedliche Geschichten, die sie erlebt haben, es sind bewegende, manchmal traurige. „Ich habe meinen Eltern einen Brief geschrieben, in dem ich sie gefragt habe, wie sie es finden würden, wenn ihre Tochter mit einem Mädchen zusammen ist. Am nächsten Tag lag ein Antwortbrief vor meiner Zimmertüre, in dem meine Mutter geschrieben hat, dass sie das völlig okay fände — damit war das Eis gebrochen“, erzählt eine der Jugendlichen aus dem Puls. Eine andere hingegen berichtet, dass sie in dem Heim, in dem sie lange gelebt hat, verstoßen wurde, ausgeschlossen, auf ein Einzelzimmer verlegt worden ist. „Keiner wollte mich so, wie ich bin“, sagt sie.

Wenn Jana Hansjürgen gefragt wird, wie das bevorstehende Outing am besten über den Tisch gebracht werden kann, hat sie ein paar generelle Tipps sofort parat. „Es sollte persönlich geschehen, nicht über Freunde oder Bekannte, die es dann weitererzählen.“ Oft helfe es auch, sich zuerst Geschwistern oder engen Freunden anzuvertrauen, und erst dann mit den eigenen Eltern zu sprechen. „Es hat einen wahnsinnigen Effekt, wenn man weiß, dass ein oder zwei vertraute Personen voll und ganz hinter einem stehen.“

Viele der Jugendlichen sind nur bei einem Teil ihrer Angehörigen geoutet, oft nur bei Freunden, nicht bei der Familie. „Das ist alles völlig in Ordnung, manchmal ist es ganz richtig, es nicht jedem zu erzählen.“ Denn Diskriminierung gibt es immer noch, auf dem Schulhof, Arbeitsplatz — viel zu oft.