Düsseldorfer Kultur "Die Mitte der Welt": Anrührende Coming-Out-Geschichte beim Jungen Schauspiel Düsseldorf
Robert Gerloff inszeniert am Düsseldorfer Schauspielhaus die anrührende Coming-Out-Geschichte um den 17-jährigen Phil.
Düsseldorf. Die Mutter kommt aus dem Kühlschrank, die Gemäuer des Zuhauses drohen einzustürzen und vom Vater weiß Phil nichts. Nicht mal den Namen. Wenig optimale Voraussetzungen für einen 17-Jährigen, um heil durch die Pubertät und die erste Liebe zu kommen. Möchte man meinen. Phil ist schwul. Das macht es ihm in dieser Kleinstadt nicht leichter, in der er, seine Schwester und die unkonventionelle Mutter wie gefährliche Wesen gemieden werden.
Wie sich „Die Mitte der Welt“ dieses Heranwachsenden verschiebt, wie er seinen Abenteuergeschichten entwächst und an Grenzen von Freundschaft und Liebe stößt, zeigt das Junge Schauspiel mit einer anrührend melancholischen und zugleich amüsant handfesten Inszenierung des Jugendbuch-Klassikers von Andreas Steinhöfel. Aus dem 500-Seiten-Roman haben Regisseur Robert Gerloff und sein Team an der Münsterstraße starke und charakterisierende Dialoge herausgeschält und Spielszenen geschaffen, in denen die sechs Darsteller den klischeefreien Kosmos der wunderbaren Coming-of-Age und Coming-Out-Geschichte vermessen können.
„Seid stark und wehrt euch. Lasst euch nicht vorschreiben, wie ihr leben sollt.“ Mit diesem Credo erzieht Glass (Julia Dillmann) ihre Zwillinge. Sie selbst hält sich daran und blickt nur kurz hoch, als Phil (Kilian Ponert) sie um Rat in Liebesdingen bittet. Sie raucht, spielt Schlagzeug und ist meistens rastlos im Morgenrock unterwegs.
Was ist dieses Gefühl nun, das Phil mit seinem Mitschüler Nicholas (Paul Jumin Hoffmann) verbindet? Warum bringt die Nähe zu ihm gleichzeitig Distanz zur besten Freundin Kat (Alessa Kordeck)? Wer ist schuld daran, dass zwischen seiner Schwester Dianne (Julia Goldberg) und ihm Sprachlosigkeit herrscht?
Mit gutem Gespür lotet Kilian Ponert die Peinlichkeiten der Pubertät aus. Schlägt die Hände vor Scham schreiend vors Gesicht, wenn er über Sex reden soll. Stammelt wirres Zeug, wenn es zur erträumten Begegnung kommt und singt überzeugend gefühlvoll schlechte Schnulzen wie „Ist es wahre Liebe“. Minutenlang knutscht er leidenschaftlich mit Schauspieler-Kollegen Paul Jumin Hoffmann. Sie kämpfen sich gegenseitig die Oberteile von den Körpern, ringen miteinander und verschwinden mit eindeutigem Ziel hinter dem Duschvorhang auf der Bühne. Dass Regisseur Gerloff diese Szene so deutlich zeigt und den Hauptprotagonisten nicht nur seinen Gefühlsverwirrungen nachsinnen lässt, wird dem Publikum ab zwölf Jahren beim Zuschauen einiges abverlangen. Aber niemand hat behauptet, dass es leicht ist, die eigene Mitte der Welt zu finden.
>>> Das Stück wird am 12. Dezember (18 Uhr), 14. Dezember (11 Uhr), 16. Dezember (19 Uhr), 18., 19. Dezember (11 Uhr) gespielt.
Karten gibt es unter: Telefon 0211/369911