Herr Reinartz, wären sie eigentlich auch in die Düsseldorfer Verwaltung gewechselt oder war nur die neue Stadttochter für sie attraktiv?
Die Zukunft von KI und Chatbots im Rathaus „Wir wollen das Rathaus ins Wohnzimmer holen“
Düsseldorf · Die Stadt will mit einer Agentur die Digitalisierung vorantreiben. Dafür sorgen soll ein Trio, das nun komplett ist.
Die Stadt Düsseldorf hat im vergangenen Jahr eine Digitalagentur gegründet. Mit Frank Reinartz ist nun der Geschäftsführer gefunden, der zuvor bei der Energieversorgungs- und Verkehrsgesellschaft in Aachen für die IT-Strategie zuständig war. Als Hauptgeschäftsführerin (auf Mini-Job-Basis) ist die Leiterin des städtischen Hauptamtes Bettina Mötting mit im Boot. Wir treffen die beiden sowie den für die Digitalisierung zuständigen Dezernenten Olaf Wagner am neuen Firmensitz an der Fischerstraße.
Frank Reinartz: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.
Ein Argument für die Gründung der Agentur ist ja gewesen, dass höhere Gehälter gezahlt werden können.
Reinartz: Also, ich habe es nicht fürs Geld gemacht. Dann hätte ich in Aachen bleiben sollen. Mich hat vor allem die Aufgabe gereizt, zumal in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Den Umgang mit Stadtverwaltungen habe ich in Aachen gelernt. In Düsseldorf kam jetzt hinzu, dass von Anfang an große Ambitionen wahrzunehmen waren. Das hat mich sehr motiviert.
Und welche Rolle spielen die höheren Gehälter?
Olaf Wagner: Sie sind nicht der zentrale Gedanke gewesen, aber sie sind schon ein wichtiger Punkt. Wir halten da natürlich nicht mit großen Beratungsunternehmen mit. Wir hätten mit unserem Stellenplan bei der Stadt vor allem auch Schwierigkeiten gehabt, erfahrene Berater mit Multi-Projektmanagementkenntnissen tariflich unterzubringen. Zudem können wir so mit flachen Hierarchien viel eher einen Start-up-Gedanken umsetzen. Damit konnten wir ganz andere Leute gewinnen, als das mit der klassischen Verwaltung möglich gewesen wäre.
Reinartz: Das hat sich auch in den Bewerbungsgesprächen gezeigt: Es kamen Mitarbeiter aus der Industrie oder Beratungsunternehmen, weil sie sich für eine schlagkräftige, kleine Einheit interessiert haben.
Mötting: Zudem hat viele gereizt, bei einer Stadt der Größe Düsseldorfs Pionierarbeit leisten zu können, auch die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit hatte Zugkraft.
Reinartz: Wir hatten zudem keinen dabei, der eine bessere Work-Life-Balance wollte.
Aber entstehen nicht zusätzliche Reibungen, da es jetzt zwei Einheiten bei der Stadt gibt, die die Digitalisierung voranbringen sollen?
Mötting: Ich verstehe da meine Rolle als Scharnier. Und es gibt eine klare Aufteilung. Unsere IT-Abteilung bei der Stadt ist voll mit dem Alltagsgeschäft ausgelastet. Jeden Tag muss eine voll funktionsfähige IT bereitstehen. Bei der Agentur können sich die Mitarbeiter dagegen voll auf Projekte konzentrieren, neun Projektmanager sind jetzt mit dabei.
Wagner: Ich erhoffe mir zudem, dass die beiden Welten voneinander profitieren und voneinander lernen.
Herr Reinartz, wo ist Düsseldorf schon richtig gut und wo hat es den größten Nachholbedarf bei der Digitalisierung?
Reinartz: Die Bewerbungsprozesse laufen wirklich optimal, nicht nur mein eigener, sondern auch bei den weiteren Einstellungen. Ich habe gar nichts ausgedruckt. Das habe ich so noch nicht erlebt. Die größte Herausforderung ist sicher bei der Größe der Verwaltung, dass so viele unterschiedliche IT-Systeme nebeneinander laufen. Das spüren auch die Bürger, indem sie an verschiedenen Stellen immer wieder mal die selben Daten eingeben müssen.
Wie sieht da Ihr langfristiges Ziel aus?
Reinartz: Wir träumen natürlich von einem einzigen städtischen Portal. Da melde ich mich dann als Bürger an und kann sämtliche Vorgänge von der Steuer bis zum Kindergartenplatz einsehen und verwalten. Doch das ist wirklich ein hochkomplexes Thema aufgrund der vielen parallelen Systeme. Ich habe diese Erfahrung zur Standardisierung von Daten auch schon bei einer früheren beruflichen Station beim Henkel-Konzern gemacht.
Wagner: Unser Ziel ist klar: Wir wollen das Rathaus ins Wohnzimmer holen, und das soll nur einen Eingang haben.
Welche Projekte stehen jetzt für die Digitalagentur an?
Reinartz: Ein besonders wichtiges Thema ist der Einsatz von KI. Wir erarbeiten zum Beispiel gerade eine Anwendung für Protokollierungen, die dann direkt rechtssicher sind. Zudem erarbeiten wir eine einheitliche Strategie für den Einsatz von Chatbots bei den Ämtern, die Ende März fertig sein soll. Im Einsatz ist ja bereits ein Chatbot bei der Zentralbibliothek. Für das Standesamt wird einer entwickelt. KI ist ein Querschnittsthema. In jedem Amt wird sie in Zukunft im Einsatz sein. Für Wohngeldanträge ist das schon der Fall, weitere Entwicklungen sind für die Grundsteuer und Bewerbungen geplant. Zudem arbeiten wir daran, bestehende Lösungen weiterzuentwickeln. Der Einsatz von Software zum Arbeitsschutz soll etwa vereinheitlicht werden, da sind wir jetzt in der Vorauswahl. Ein weiteres Projekt sind die Bodycams für die Kräfte des städtischen Ordnungsdienstes. Dafür sichten wir die verschiedenen Anbieter. Des Weiteren wollen wir eine Plattform für Ehrenämter aufsetzen.
Zuletzt hat sich bei der Digitalisierung in Düsseldorf spürbar etwas getan, beim Bürgerservice etwa. Auch die Gründung der Agentur war zügig umgesetzt. Welches Beispiel kann sich die Stadtverwaltung an diesem Vorgehen nehmen?
Mötting: Wir haben von der ersten Arbeitsgruppe bis zur Unterschrift beim Notar zur Gründung wirklich nur drei Monate gebraucht. Das war schon sehr sportlich.
Wagner: Wir haben die Prozesse umgedreht und vom Ziel her gedacht. Schon in der ersten Sitzung zur Gründung der Agentur saß eine sehr große Runde zusammen, samt Jurist. Wir wollen eine neue Kultur etablieren, in der von der ersten Sekunde an jeder dabei ist und die Frage mitbeantwortet, was zur Erreichung des Ziels nötig ist. Das hat die Geschwindigkeit gebracht. Dieses Vorgehen wollen wir jetzt in die Verwaltung hineintragen. Wir wollen das nicht vorschreiben, sondern eher ein gutes Beispiel geben. Es gilt, in Netzwerken zu denken und weniger in Linien. Wenn jeder Einzelne nur von sich ausgeht, was er beizutragen hat, bleiben Dinge auf der Strecke, die sich zwischen festgelegten Zuständigkeiten ergeben. Diese gilt es zu einem Teil aufzulösen.