Regisseur Robert Wilson und sein „Moby Dick“ Ein Stück mit starken Knochen

Düsseldorf · Robert Wilson war wieder einmal am Rhein zu Gast und inspizierte eine Vorstellung von „Moby Dick“. Der Theaterregisseur hofft, bald wieder in Düsseldorf arbeiten zu können.

Die „Moby Dick“-Inszenierung von Robert Wilson ist wieder Mitte Mätz zu sehen.

Foto: Lucie Jansch/DHAUS

Gut fünf Monate nach der Premiere von „Moby Dick“ kehrte Regisseur Robert Wilson für zwei Tage zurück nach Düsseldorf. Ein Zwischenstopp – nach New York, vor Paris und wieder New York. Am Abend wird er die Vorstellung im Schauspielhaus besuchen. Natürlich weiß er um den Riesenerfolg des Stücks, die ausverkauften Aufführungen, das lange Warten auf eine Karte. Erwähnt man dies, spricht sein zufriedenes Lächeln Bände. Dass ihm wieder etwas derart gelungen ist, gefällt ihm.

Warum wollte er „Moby Dick“ jetzt noch einmal sehen? Wilson nippt an seinem Tee und lässt sich etwas Zeit mit der Antwort. „Ich mache das öfter nach einer Arbeit“, sagt er dann: „Es ist zwar nicht länger mein Produkt, aber ich kümmere mich weiter darum. Vergleichen wir es mit Kindern, die erwachsen werden. Man muss sie ziehen lassen. Sie gehen ihren Weg, und sie meistern ihn auch. Trotzdem bleibt man mit ihnen verbunden.“

Was, denkt er, wird er als Zuschauer empfinden? „Ich werde ganz sicher etwas ändern wollen.“ Er erinnert an seine „Madama Butterfly“ für die Pariser Bastille-Oper: „Die hatten 13 Wiederaufnahmen, und jedes Mal fand ich etwas, das ich anders machen wollte. Zuletzt im vorigen Jahr. Eine solche Arbeit ist ja nie beendet.“ Und was passiert dann? „Ich spreche mit den Leuten und gebe ihnen ein Feedback.“ Ein schelmisches Grinsen. „Manchmal macht es sich ein Schauspieler zu bequem in seiner Rolle. Das spüre ich sofort und greife ein. Du bist zu zufrieden mit dir, sage ich ihm dann. Fühle dich bloß nicht zu gemütlich mit dem, was du tust.“

Bei den Proben, man muss es einmal erlebt haben, verhält sich Wilson unfassbar akribisch und häufig auch extrem fordernd. Ihm ist sehr wohl bewusst, wie viel er von seinem Ensemble verlangt. Bei „Moby Dick“ war es nicht anders, die Schauspieler stießen an die Grenzen ihrer Belastung. Rosa Enskat als Kapitän Ahab drückte es so aus: „Die Proben mit Bob sind die Hölle, aber danach ist es der Himmel.“ Wohl auch der Grund, warum keiner kneift, wenn er wieder mit diesem Theatermagier arbeiten kann. Was braucht ein Wilson-Schauspieler unbedingt? „Humor“, sagt er kurz und bündig. „Humor ist am wichtigsten. Und die gleiche Wellenlänge.“

Die Zeit zwischen der Premiere und der jetzigen Düsseldorf-Stippvisite verbrachte der Amerikaner auf beruflich bedingten Reisen. „Ich war hauptsächlich in Fernost“, berichtet er, „in Japan, Korea, China, Hongkong.“ Listet er dann seine künftigen Ziele auf mehreren Kontinenten auf, könnte einem schwindelig werden. Schwer vorstellbar, dass der Mann es mehrere Wochen an einem Ort aushält, oder? „Nun ja, ich bin 83 und komme zu einem Punkt, an dem es hübscher wäre, irgendwo länger zu verweilen. Aber meine Arbeit führt mich eben rund um die Welt, und das ist auch schön.“

Nur in den Sommerferien gönnt er sich den Rückzug. Er verbringt sie in den Hamptons, beim von ihm gegründeten Watermill-Center, einem Förderprojekt für junge Künstler. Dort will er auch seinen 85. Geburtstag am 4. Oktober 2026 begehen. Ein Doppelfest, das Center wird dann 35 Jahre alt. Ansonsten aber: keine Rede von Ruhestand und Aufhören, im Gegenteil. Gefragt nach seinen Plänen, hebt Robert Wilson die Arme und die Stimme. „Kürzlich habe ich einen Vertrag für 2030 unterzeichnet“, ruft er triumphierend aus und wird sogleich präzise: „Am 2. November um 9 Uhr morgens haben wir die erste Probe. Yes!“ Für das Theater La Fenice in Venedig wird er „Tristan“ inszenieren. Nach „Parsifal“ und „Lohengrin“ hatte er Lust darauf, die Wagner-Trilogie abzuschließen, und macht sich bereits Gedanken dazu: „Ich werde die Oper abstrakt umsetzen, abstrakt und einfach.“ Ihm schwebe dafür ein Schiff vor.

Ein Schiff wie bei „Moby Dick“. Welche Idee hält er für die beste in dieser Arbeit? „Dass ich die Figur des Boy erschaffen habe. Christopher Nell ist großartig in seiner Rolle. Er wird oft als mein Alter Ego verstanden, und da ist auch etwas dran.“

Wird Robert Wilson eines Tages wieder in Düsseldorf arbeiten? „Ich hoffe es sehr, aber im Moment zeichnet sich nichts ab“, erzählt er. „Ein angedachtes Projekt an der Rheinoper kommt nicht mehr zustande, weil der Intendant zurückgetreten ist.“ Schon heute bedauert er den nahenden Abschied von Intendant Wilfried Schulz. Am Schauspielhaus habe er sich als Regisseur immer sehr wohlgefühlt. Gern blickt er auf seine früheren Arbeiten zurück, auf „Der Sandmann“, „Das Dschungelbuch“ und „Dorian“, das gefeierte Solo mit Christian Friedel: „Wenn die Direktion wechselt, werden meine Stücke wohl nicht länger im Repertoire verbleiben. Das ist normal, aber sehr schade.“

Allerdings fallen ihm dazu gleich ein paar Gegenbeispiele ein. Etwa seine bereits erwähnte Pariser „Madama Butterfly“, die über 35 Jahre mehrere Intendanzen überlebte. Oder eine Mailänder Inszenierung von Giorgio Strehler: „Sie hat seit den frühen 70er-Jahren Bestand. Weil sie perfekt ist, ein Meisterwerk.“ Es gebe eben Stücke mit besonders starken Knochen, wirft er ein, auch sein „Black Rider“ und womöglich „Moby Dick“ gehörten dazu: „Diese Knochen sind wie eine Architektur, sie tragen das ganze Theater.“

(go w.g.)