Düsseldorf Die Königsallee unter Nazi-Herrschaft

Mahn- und Gedenkstätte: Neues Buch behandeltein dunkles Kapitel der Prachtmeile.

Foto: Stadtarchiv

Düsseldorf. Es ist eine traurige Geschichte, die Verleger und Zeitzeuge Manfred Droste von der Königsallee am 10. November 1938 zu berichten weiß. Er war damals elf Jahre alt und Schüler der nicht weit entfernten Hindenburgschule, dem heutigen Humboldt-Gymnasium. Es war der Tag nach den Novemberpogromen, den von den Nationalsozialisten organisierten Gewalttaten gegen Juden. „Wir sahen die Verheerungen der Nacht. Der Brandgeruch der Synagoge an der Kasernenstraße stieg uns in die Nase. In den Schaufenstern versuchten jüdische Ladenbesitzer und Angestellte, Waren zu retten, ohne auf die umstehenden Gaffer zu achten. Es war ein bedrückendes Erlebnis.“

Foto: Stadtarchiv

Diese und andere Erinnerungen sollen nicht vergessen werden: Gestern wurde — in den Räumlichkeiten des Geschäfts Franzen an der Königsallee 42 — der achte Band der Kleinen Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte von Autorin Hildegard Jakobs (Foto: Ingo Lammert/Stadt Düsseldorf) vorgestellt, herausgegeben vom Droste Verlag. Der Titel: „Macht und Pracht — Die Düsseldorfer Königsallee im Nationalsozialismus“.

Die Königsallee spielt in der Geschichte der Nazi-Herrschaft in Düsseldorf eine zentrale Rolle, sie rahmt die Geschichte in gewisser Weise ein: Denn im Jahr 1932, ein Jahr vor der „Machtergreifung“ Hitlers, hielt dieser eine Rede vorm Industrieclub im Parkhotel (streng genommen damals noch nicht Teil der Kö), um Unterstützer zu gewinnen. Einige Stunden vor der Befreiung 1945 wurden fünf Düsseldorfer Widerständler am gleichen Ort noch zum Tode verurteilt. In dem etwa 100 Seiten starken Taschenbuch wird die Kö Hausnummer für Hausnummer geschichtlich abspaziert: Vom Corneliusplatz geht es erst die Bankenseite hoch, dann auf der Ostseite mit den Geschäften und Cafés wieder hinunter. Die einzelnen Stationen erzählen traurige, bewegende und auch lustige Geschichten. Vor allen Dingen: Düsseldorfer Geschichten.

„Ich habe mir ein Adressbuch von 1933 besorgt, in dem alle damaligen Anwohner aufgelistet waren. So konnte ich gezielt die Geschichten der Familien etwa suchen“, erzählt Autorin Hildegard Jakobs, die seit 1995 als Historikerin für die Mahn- und Gedenkstätte tätig ist. Im Zuge ihrer Arbeit hatte sie schon vor dem Projekt viele Düsseldorfer Zeitzeugen gesprochen.

Ihr Werk stellt sehr eindrücklich dar, wie die zwölf Jahre andauernde Herrschaft der Nazis das Gesicht der Kö und das Leben der Menschen veränderte — durch Arisierung, Propagandaaktionen und den Bombenkrieg. Die teilweise noch nie veröffentlichten Bilder zeigen etwa die Familie Goebbels beim medienwirksamen Bummeln auf der Prachtmeile. Einige Seiten dahinter ist das Porträt der Kommunistin Klara Schabrod zu sehen, die im „Folterkeller der Kö“ nach ihrer Verhaftung misshandelt wurde. In die Tresor- und Kellerräume der ehemaligen Mitteldeutschen Creditbank (Hausnummer 17) wurden viele politische Häftlinge gebracht, bevor sie verschleppt wurden.

Jakobs erzählt in dem Buch auch die Geschichte des jüdischen Feinkosthändlers Hugo Wilhelm (Hausnummer 76): „Sogar das in Nürnberg herausgegebene Nazi-Blatt ’Der Stürmer’ zerriss sich über sein Geschäft an der Kö das Maul. Das hiesige Finanzamt prüfte die Geschäftsbücher der letzten 15 Jahre, fand aber nichts. Nach endlosen Schikanen floh Wilhelm nach Österreich. Als das Land 1938 an Hitler-Deutschland angeschlossen wurde, nahm er sich das Leben.“

In dem Buch geht es nicht nur um die, die unter den Nationalsozialisten gelitten haben, sondern auch um die, die mitgemacht haben. „Das einzige Geschäft an der Kö, vor dem jeden Tag die Hakenkreuzflagge flatterte, war das Strumpfhaus Bornemeyer“, sagt Hildegard Jakobs. Die Inhaber hatten sich schon vor 1933 auf die Seite der Nazis gestellt. In einem Aushang im Schaufenster, 1935 fotografiert, sprachen sie sich für den Boykott von jüdischen Lieferanten und Firmen aus. Das Familienunternehmen musste im letzten Jahr schließen.

Der Vorstand der Interessengemeinschaft Königsallee, Förderer des achten Bandes der Kleinen Schriftenreihe, brachte bei der Buchvorstellung seine Trauer über Geschehnisse unter der Nazi-Herrschaft und sein Mitgefühl für dessen Opfer zum Ausdruck.