Diese Skurrilität ist unverwüstlich

Englisches Ensemble gastiert mit dem Klassiker „Rocky Horror Picture Show“ von 1973 in Düsseldorf — und setzt die Begeisterungsära fort.

Foto: Jens Hauer

„Langweilig“, „boring!“. Die dröhnenden Zwischenrufe der Zuschauer, ihre ratternden Rasseln, Wasserspritzer und Konfetti. . . Sie bringen Sky Dumont nicht aus der Ruhe. Im Gegenteil: Den smarten, schlagfertigen, immer noch flinkzüngig konternden Grandseigneur, der als Erzähler eine exzellente Figur macht, motivieren sie noch, das Publikum anzuheizen. „Das ist schlapp! Kennt ihr in Düsseldorf nichts anderes? Geht’s nicht lauter?“ Für eine richtig gute „Rocky Horror Show“ ist all das wie das Salz in der Suppe. Nicht zu vergessen das Buhrufen, Mitsingen und Mit-Rocken. Denn hier gibt es zwei Shows: eine auf der Bühne, die andere im Publikum.

Die zahlreich versammelten „Rocky“-Fans wissen das, geben sich Mühe und lassen nicht locker. Nur auf das Werfen von Klopapier-Rollen müssen bei dieser Show verzichten. Usus ist das ausgelassene Mitmachen, seit der Uraufführung 1973 im Royal Court Theatre in London. Und unverwüstlich. Frech, dreist und gut gelaunt, wie jetzt das Publikum im nahezu ausverkauften Capitol-Theater, so auch die handverlesenen Sänger und Tänzer aus Good Old England in der Tournee-Inszenierung von Sam Buntrock, die seit Jahren mit großem Erfolg quer durch Europa tourt und nichts an Zündkraft eingebüßt hat.

Wen wundert’s, dass Mimen und eine röhrend aufspielende Live-Band Jubel und Begeisterung mit Zugaben belohnten. Stimmgewaltig und tänzerisch auf den Punkt gelingen den Darstellern die meisten Szenen in diesem schnurrenden Glitzer-Trash-Musical. Allen voran: Gary Tushaw als Transvestit Frank N. Furter in Strapsen, der der Filmfigur Tim Curry (The Rocky Horror Picture Show, verfilmt 1975) in nichts nach steht. Dämonisch und sentimental gibt er sich. Lasziver Augenaufschlag, Schmollmund und gebleckte Zähne. Ebenso perfekt stolziert er im Cat-Walk auf rot-glitzernden Stilettos über die Rampe.

Der Londoner Tushaw zeichnet ein grelles Porträt der schrägen Transe Frank N. Furter, welche sich seinen Wunsch erfüllt und einen schönen blonden Mann aus der Retorte zaubert. Simsalabim! Und vor ihm steht der Lustknabe Rocky mit gülden glänzenden Muskelpaketen (ideal für die Rolle: Ryan Goscinski), der in knappem Suspensorium selbstverliebt posiert, tanzt und kokettiert. Mit Pfeifen und Johlen begrüßen den Jüngling besonders die weiblichen Fans. Ähnlich lautstark wird es auch, wenn der über sein Lustobjekt misstrauisch wachende Frank N. Furter dieses endlich zum Traualtar führt.

Gruselig wirken die außerirdischen Assistenten des tuntigen Magiers, Stuart Matthew Prisce als Riff Raff und Anna Lidman als Magenta: Sie dienen ihrem Meister, wirken wie verschrobene Lordsiegelbewahrer eines Transen-Planeten, lenken aus dem Hintergrund sexgieriges Treiben und Forschungsdrang. Riff Raff in düsterem Nosferatu-Outifit, Magenta im Gewand eines Dienstmädchens aus Schwarz-Weiß-Filmen der 50er Jahre.

Den Grusel-Streifen dieser Zeit entliehen sind auch Janet und Brad. Felix Mosse und Sophie Isaacs mimen hinreißend das junge, biedere, fast schüchterne Paar aus den USA, das vor lauter Naivität den Finten des sexsüchtigen Frankfurter nicht gewachsen ist. Sie bleiben auf einer Landstraße liegen (mit Hitchcock-Filmen untermalt) und gelangen in die Fänge zunächst der Außerirdischen, dann von Frank N. Furter. Die Doppelverführung — einmal mit Brad, dann mit Janet — wird im Scherenschnitt gezeigt. Deutlich, aber ironisch gebrochen. Insgesamt ist die Inszenierung reich an Ironie und Sarkasmus.

Das Rocky-Musical voller Trash, Sex und Rock’n Roll lebt — neben Spiel, Tanz und Live-Musik — auch vom Gesang. In diesem Punkt bleiben die Darsteller ebenfalls nichts schuldig. Sie sind einfach nicht kleinzukriegen — die fetzigen Rocksongs und lyrischen Liebes-Schnulzen. Von „Dammit Janet“ und „The Time Warp“ bis zu „Going Home“ und „Super Heroes“. Hits und Ohrwürmer am laufenden Band.