Dokumentation Erinnerung an Benedikt Schmittmann wach halten

Flehe · Der Professor wurde 1939 von den Nazis ermordet. Bürger- und Heimatverein Volmerswerth gibt Dokumentation heraus

Bernd Pohl vor dem Denkmal des Ermordeten

Foto: Marc Ingel

Bernd Pohl kniet vor dem Haus an der Fleher Straße 341 und wienert. Er säubert den Stolperstein von Benedikt Schmittmann, der hier vor einem Jahr in den Asphalt gesetzt wurde. Eigentlich wollte der Lehrer das mit seinen Schülern der Martin-Luther-Grundschule machen, damit diese wissen, wer Schmittmann war und warum das Wirken des 1939 von den Nazis ermordeten Professors für Sozialwissenschaft an der Uni Köln so wichtig war. Aber Corona hat das Vorhaben verhindert. Also putzt Pohl alleine. An diesem Ort stand einst die Villa Schmittmann, 1911 nach dessen eigenen Plänen erbaut. Ursprünglich war dies das Sommerhaus von Schmittmann und seiner gut betuchten Frau Helene Schmittmann-Wahlen. Aber nachdem er von den Nazis mit einem Berufsverbot kaltgestellt wurde, war es sein Exil.

Pohl weiß alles über Schmittmann, als 2. Vorsitzender des Bürger- und Heimatvereins Volmerswerth war er maßgeblich daran beteiligt, dass für den überzeugten Demokraten, weltoffenen Politiker, den Katholiken und Sozialreformer, den föderalen Visionär keine 100 Meter weiter am Fleher Deich im vergangenen Jahr ein Denkmal aufgestellt, ja sogar ein ganzer Platz geschaffen wurde. Wie Schmittmann ist auch Pohl kein Freund von strikt gezogenen Grenzen. „Viele Fleher sind auch Volmerswerther und umgekehrt. Ohnehin ging das Wirken von Schmittmann weit über diese beiden Dörfer hinaus“, sagt er.

Schmittmann und seine Ehefrau.

Foto: Marc Ingel

Aber genau hier spielte sich eben auch ein wichtiger Teil seines Lebens ab, erst die unbeschwerten Sommermonate, später dann das Exil, bis Schmittmann am 1. September 1939 klammheimlich nachts von den Nazis verhaftet wurde – „wegen seines christlichen Bekenntnisses und seines Eintretens für Menschenwürde, Demokratie und Freiheit“, wie auf der Inschrift am Denkmal hinterlegt ist. Zwölf Tage später wurde der Intellektuelle im KZ Sachsenhausen umgebracht – zu Tode getreten von den Stiefeln eines 19-jährigen SS-Scharführers. Dass der eine oder andere dem gut dreijährigen Kampf Pohls für das Denkmal wenig abgewinnen konnte, spornte den Lehrer nur noch mehr an. Er solle doch keine alten Kamellen aufwärmen, diese dunkle Zeit sei doch ein- für allemal vorbei, wurde ihm bisweilen vorgeworfen.

Enges Verhältnis zu
Konrad Adenauer

Foto: Marc Ingel

Was für „ein ganz feiner Mann, der sich immer um die gekümmert hat, die es wirklich nötig hatten“ Schmittmann war, kann am besten dem Interview des Heimathistorikers und Architekten Edmund Spohr mit Schmittmanns Nachbarn Theo Heidkamp entnommen werden. Demnach sei Schmittmann in Flehe und Volmerswerth ein gern gesehener Gast gewesen, der zum Beispiel in Lesezirkeln von seinen Ideen sprach, obwohl die Nazis ihm längst Rede- und Lehrverbot erteilt hatten. Jeden Morgen sei er auf dem Fleher Deich spazieren gegangen. Er habe ein enges Verhältnis zum Pastor Heinen gehabt, und auch Konrad Adenauer sei mit seiner Frau häufig in Flehe zu Besuch gewesen – vorzugsweise samstags –, hätten die beiden Politiker doch die Zeitschrift „Heimat und Volk“ herausgegeben, in der Hitler noch vor seiner Machtergreifung offen kritisiert wurde.

Heidkamp weiß aber auch von unverfänglichen, amüsanten Anekdoten zu berichten. So habe Schmittmann gerne Tiere um sich gehabt – Schafe, Enten, Gänse, Hühner, eine Ziege. Adenauer habe sich darüber lustig gemacht. Schmittmann habe Heidkamp einst erzählt: „Theo, dat will ich dir mal sagen, die sind mich immer am verulken, aber wenn Schlachtfest ist, dann kommen die Kölner und packen die Pakete ein.“

Natürlich habe es auch Nazis in der Nachbarschaft gegeben, „aber der Schmittmann war in Volmerswerth und Flehe so beliebt, die haben ihm nichts getan“. Und kinderlieb sei er gewesen: Wenn das Obst in seinem Garten reif gewesen sei, habe er das alles den Kindern geschenkt. „Zu St. Martin bekam sogar jedes Kind aus der Nachbarschaft einen Weckmann, in dem statt der üblichen Mandeln ein Zehnpfennigstück eingebacken war.“ All das und mehr können Interessierte in einer Dokumentation nachlesen, die der Bürger- und Heimatverein Volmerswerth herausgegeben hat und die am Denkmal ausliegt. Dort schaut Pohl nach dem Rechten. Und wenn die Schriften mal wieder weniger geworden sind, freut er sich. Denn die Erinnerung an Benedikt Schmittmann wachzuhalten, das ist seine ganz persönliche Mission.