Bombenanschlag in Düsseldorf vor 17 Jahren Düsseldorf Anschlag: Indizienkette gegen Ralf S. soll „undurchbrechlich“ sein
Polizei und Staatsanwaltschaft sind sich ihrer Sache sicher. Der schlagende Beweis aber fehlt allerdings auch nach fast 17 Jahren.
Düsseldorf. Der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler beginnt die Pressekonferenz am Mittwoch mit einer Entschuldigung: Er bitte die Opfer um Verständnis für die lange Dauer des Verfahrens rund um den Anschlag am S-Bahnhof Wehrhahn im Jahr 2000. „Wir haben die Akte nie zugemacht“, betont er. „Wir haben die Opfer nie vergessen.“ Doch die Ermittlung sei eine schwierige gewesen. Und noch immer gibt es nicht diesen einen schlagenden Beweis. Auch nach fast 17 Jahren nicht.
Wenige Tage nach der Explosion im Stadtteil Flingern hatte man Ralf S. damals in Gewahrsam genommen und verhört — doch er war rasch wieder auf freiem Fuß. Dass er einen Militaria-Laden betrieb und Zugang zu Waffen hatte, dass er als Ex-Soldat im Umgang mit Sprengstoff geschult war, dass er eine Wohnung angemietet, dort offensichtlich gebastelt und sie einen Tag nach dem Anschlag wieder gekündigt hatte — all diese Indizien reichten nicht. Auch nicht seine weithin bekannte Ausländerfeindlichkeit. Die Düsseldorfer Antifa hatte schon vor dem Anschlag darauf aufmerksam gemacht, dass S. Ausländer verprügelt habe. Obwohl bis zu 80 Ermittler der Mordkommission 330 Spuren nachgingen und 1500 Vernehmungen führten, wurde das Ermittlungsverfahren 2002 vorläufig eingestellt. Aus Mangel an Ermittlungsansätzen.
Bis die Aussage eines Sträflings den Düsseldorfer Ermittlern 2014 einen neuen Grund gab, Ralf S. unter die Lupe zu nehmen. Der wohnte inzwischen in Ratingen, seinen Militaria-Laden „Survival Security & Outdoor“ gab es nicht mehr. Was genau der heute 50-Jährige 16 Jahre lang trieb, kann Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück nicht sagen. Im Internet bot er seine Dienste als Sicherheitsberater und im „Kriesenmanagement“ an — auf Youtube-Videos zeigt er sich, wie er Frauen für den Einsatz als Bodyguards im Gelände trainiert. Seine militärische Vergangenheit hielt er hoch, tatsächlich war er arbeitslos.
In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben die Ermittler neben den Zeugenaussagen und dem Gutachten der LKA-Profiler viele weitere Beweisschnipsel zusammengetragen. Da ist die Annoncenzeitschrift „Marktplatz Köln“, in die der Sprengsatz eingewickelt war und die Papierchen für Papierchen zusammengesetzt wurde. Eine in Düsseldorf seltene Zeitung, die S. regelmäßig kaufte. Und da sind zwei Gegenstände, über die Chef-Ermittler Udo Moll nichts Genaueres sagen möchte, die in jener vorübergehend angemieteten Wohnung gefunden wurden, in der S. mutmaßlich die Bombe gebaut hatte — Gegenstände, die erst mit dem Wissen der Profiler und dem neuen Sprengstoffgutachten als Beweise zu sehen seien. „Es gab damals keinen hinreichenden Verdacht“, betont Herrenbrück. Man brauche nicht nur viele Indizien, sondern eine „undurchbrechliche Kette“. Die glaubt man jetzt zu haben.
Für die Opfer ein Grund zum Aufatmen. Wie sie wurde auch Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, vor der Festnahme durch die Polizei informiert. „Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass sich die Indizien so weit verdichten haben, dass es jetzt für eine Festnahme reicht“, sagt er. „Natürlich ist das Geschehen mit den Jahren etwas verblasst — aber ganz weg war es nie.“