Der Wünschewagen des ASB erfüllt Wünsche sterbenskranker Menschen Eine Ballonfahrt als letzter Wunsch

Düsseldorf · Ute Martin ist unheilbar krank. Weil sie einmal in die Luft gehen wollte, schenkte ihr der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes eine Ballonfahrt. Unterstützung erhält die 60-Jährige auch von der Ökumenischen Hospizbewegung.

Bei der Ballonfahrt herrschte gute Stimmung bei den Ehrenamtlern George (l.) und Daniel (r.) vom ASB-Wünschewagen sowie bei Alltagshelferin Elfi (l.) und Ute Martin (Mitte).

Foto: Martin/privat

Als es vor drei Wochen für Ute Martin in die Luft gehen sollte, spielte das Wetter nicht mit. Für das Ballonfahren benötigt man nicht nur eine stabile Wetterlage, sondern auch Thermik. Am vergangenen Dienstag aber passte alles. Gegen 17.15 Uhr wurde die 60-Jährige zu Hause abgeholt, um in Borkenberge bei Marl zu ihrer ersten Ballonfahrt aufzubrechen. Bis hierhin eine Geschichte, wie es sie dutzendfach gibt.

Wäre da nicht die Hauptperson. Denn Ute Martin hat Krebs. Unheilbar. Die Diagnose Brustkrebs bekam sie im Februar vor einem Jahr, einen Monat später war zudem klar, dass sich in ihrem Körper Metastasen ausgebreitet haben, die gerade dabei sind, ihre Wirbelsäule richtiggehend „aufzufressen“, wie es die Garatherin selber schildert. Wie lange sie noch zu leben hat, das kann ihr niemand sagen.

Doch den Rest ihres Lebens will sie, so gut es eben geht, selbst und würdevoll gestalten. Und sich letzte Wünsche erfüllen, wie einmal vom Boden abzuheben. Dafür gibt es das Angebot des „Wünschewagens“ des Arbeiter-Samariter-Bundes „Wissen Sie, ich bin noch nie geflogen. In den Urlaub ging es immer mit dem Auto“, erzählt Ute Martin. Ihr erster Wunsch sei ein Tandemfallschirmsprung gewesen, doch das hätte ihr Rücken nicht mitgemacht.

Eine rund einstündige Ballonfahrt war hingegen trotz ihrer angeschlagenen Konstitution kein Problem. Für diesen ganz besonderen Ausflug hatte sie sich in Schale geworfen, mit schwarzer enger Lederhose, in die vorderen Haare lange Zöpfe geflochten und das Gesicht dezent geschminkt. Die vielen Videos und Fotos von der Aktion, die Ute Martin als starke und schöne Frau zeigen, gehören zu den Dingen, die ihrer Tochter (40) und ihren beiden Enkelinnen (12/15) als Erinnerung dienen sollen, wenn sie selbst nicht mehr da ist.

Weil sie nicht so lange stehen kann, wurde für sie sogar extra ein Stuhl im Korb des Ballons befestigt. Zudem begleitete sie Arzt Daniel von der Aktion Wünschewagen bei dem Erlebnis hoch zu Luft, um notfalls dort direkt Erste Hilfe leisten zu können. Denn solche Aktionen kann die Garatherin nur machen, weil sie so viel Morphium nimmt, dass sie keine Schmerzen hat. Doch alles ging glatt.

„Es war eine einmalige Erfahrung: Ich fühlte mich dem Himmel so nah.“ Ein weiterer Höhepunkt war die Taufe, die jeder Ballonfahrer nach seiner Premiere durchläuft. Auf der Taufurkunde steht ihr Ballonfahrernamen, wie immer ist auch dieser ziemlich lang: Wolkenstürmerin Ute von der Wiese in Borkenberge der untergehenden Sonne entgegenfahrend bis zur Landung in Lüdinghausen. „Ich merke mir einfach nur die Wolkenstürmerin, das gefällt mir.“

Ein Herzensanliegen ist es ihr, dass mehr Menschen, die wie sie nicht mehr lange zu leben haben, auf das Angebot des Wünschewagens aufmerksam werden: „Ich hatte vorher noch nie davon gehört. Es war einfach toll, wie sich all die ehrenamtlichen Helfer um uns gekümmert haben.

Für ihren Alltag hat Ute Martin vielfältige Unterstützung. Etwa von Elif, die bei der Firma 1A-Alltagshelfer arbeitet und sich um Ute Martin kümmert und inzwischen sogar eine Freundin geworden ist. Die durfte sogar mit im Ballon fahren. Und vom Verein Ökumenische Hospizbewegung (ÖHB) Süd. Diese vermittelt Ehrenamtlerinnen wie Margot Steinberg. Seit April wird Ute Martin von Frau Steinberg betreut. „Ich bin jetzt Rentnerin und habe mich während Corona zu Hause gelangweilt. Dann bin ich auf den Befähigungskurs der Hospizbewegung gestoßen und habe mich ausbilden lassen“, berichtet Steinberg, die ebenso viel von den Menschen, die sie betreut zurückbekommt, wie sie ihnen gibt: „Ich bin dankbar, dass ich das machen kann und dafür, wie viel ich dabei lerne.“

Für Ute Martin hofft die Ehrenamtlerin auf so viele gute Tage wie möglich. Gestern Nachmittag ging es für die 60-Jährige mit ihrer Schwester und deren Lebensgefährtin zur Rheinkirmes. Das funktioniert, weil sie einen elektrischen Rollstuhl hat. Im Gegensatz zu früher muss jeder Ausflug raus aus den eigenen vier Wänden gut durchdacht sein: „Alleine schaffe ich die paar Stufen bis zur Haustür nicht mehr. Ich brauche immer Hilfe.“ Ihr Leben ist ein komplett anderes als vor der Diagnose: „Man kann sagen von 100 auf Null. Ich habe davor viel Sport gemacht. Ich bin getaucht, geritten, auf Berge gestiegen. Und jetzt geht fast nichts mehr.“

Ende des Jahres schreibt die Ökumenische Hospizbewegung die nächste Ausbildung für ehrenamtliche Hospizmitarbeitende in der Sterbebegleitung aus, erläutert die hauptamtliche Koordinatorin Astrid Mühlenhaus. Das Motto für die Begleitung von sterbenskranken Menschen lautet „gesehen, getragen, geborgen.“ Das sei auch eine Entlastung für die Angehörigen, sagt Mühlenhaus, denn mit Margot Steinberg kann Ute Martin über alles sprechen, auch wie sie sich ihre Beerdigung wünscht: „Ich möchte, dass meine Asche im Begräbniswald in Meerbusch verstreut wird.“