Top-Forschung in Düsseldorf Wie Enzyme für mehr Nachhaltigkeit sorgen

Düsseldorf · Biologen der Uni erforschen in einem internationalen Großprojekt, wie sich Chemikalien durch biologische Enzyme ersetzen lassen.

Stephan Thies, Karl-Erich Jaeger und Fabienne Hilgers (v.l.) forschen zu Enzymen.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Biologen der Düsseldorfer Uni haben mit 16 Partnern aus Wissenschaft und Industrie in sieben Ländern das Großprojekt „FuturEnzyme“ gestartet. Das Ziel: Konsumgüter wie Waschmittel, Kosmetik und Kleidung umweltfreundlicher zu produzieren und dabei Chemikalien durch natürliche Enzyme zu ersetzen. „Wir schätzen, dass sich dadurch die CO2-Emissionen um 42 Tonnen jährlich reduzieren ließe“, sagt Karl-Erich Jaeger, Professor für Molekulare Enzymtechnologie. Die Europäische Kommission fördert den Forschungs-Verbund mit knapp sechs Millionen Euro.

Die Zahlen sprechen für sich: Ein durchschnittlicher Haushalt in Europa verbraucht heute bis zu 20 Kilo Waschmittel, 30 Kilo Textilien und ein Kilo Kosmetik pro Jahr. Bedarf steigend. „Umweltauswirkungen von der Produktion bis zum Verbrauch sollten deshalb so gering wie möglich sein“, so Jaeger. Das gelte für den Einsatz von Wasser, Chemikalien und Energie, aber auch für die Wasserverschmutzung und Abfallproduktion. Die Industrie – etliche Unternehmen zählen zu den Partnern der Wissenschaft – habe ein starkes Interesse daran, umweltschonender zu produzieren.

So habe Henkel beispielsweise in den vergangenen elf Jahren 44 Prozent seiner CO2-Emissionen eingespart, zudem 44 Prozent Abfall und 28 Prozent Wasser. Durch den Einsatz von nur wenigen Gramm Enzymen (Proteine, die chemische Reaktionen beschleunigen) auf einen Liter Waschmittel könne man verschmutzte Wäsche in Zukunft mit nahezu kaltem Wasser waschen. Denn diese Alleskönner schaffen es, auch bei 20 oder 30 Grad selbst hartnäckige Spuren wie Gras-, Rotwein- oder Fettflecken aufzuspalten und zu entfernen, und sie lassen sich zudem an die jeweilige Temperatur anpassen. Zudem könne dadurch bis zu 50 Prozent Energie beim Waschvorgang eingespart werden, erläutert Stephan Ties, der das Projekt koordiniert.

Auch heute arbeitet die Industrie bereits mit natürlichen Enzymen, allerdings würden sie erst bei nur zehn Prozent aller Prozesse eingesetzt – „aus Kostengründen oder weil diese Bio-Katalysatoren bisher nicht leistungsstark genug sind“, erläutert Jaeger. Deshalb sei es entscheidend, intelligente Technologien auf der Basis neuer Enzyme zu entwickeln (so das erklärte Ziel von FuturEnzyme), um Alltagsprodukte zu optimieren und Herstellungskosten zu senken. „Es geht nicht darum Waschmittel, Kosmetik oder Sportbekleidung von Grund auf neu zu entwickeln, was viele Jahre bis zur Marktreife dauern würde. Wir wollen vielmehr existierende Produkte umweltfreundlicher und nachhaltiger machen und gleichzeitig ihre Funktion verbessern“, so der Biologe.

Das gilt neben Waschmitteln auch für die Anti-Aging-Kosmetik und deren Inhaltsstoff Hyaluronsäure, ein natürlicher Bestandteil des Bindegewebes, der bei zunehmendem Alter abnimmt. Weshalb die Industrie verspricht, Hyaluron in Cremes würde die Faltenbildung reduzieren. Doch aufgrund der Größe seiner Moleküle sei ein Eindringen des Wirkstoffs in die Haut schwierig und der Anti-Aging-Effekt heute begrenzt. Die Wissenschaftler wollen deshalb Enzyme entwickeln, um Hyaluron-Fragmente in geringerer Größe herzustellen – die besser wirken.

Auch in der Textilindustrie werden noch immer viele Chemikalien in der Produktion verwendet, die am Ende der einzelnen Herstellungsschritte mit (viel) Wasser wieder entfernt werden. Dabei sollen künftig Enzyme die Rolle der Chemikalien ersetzen und so den Wasserbedarf drastisch senken. Außerdem würden diese Bio-Katalysatoren sogar Öle aus den Textilien entfernen, ohne deren Oberfläche zu beschädigen. Die Wissenschaftler sehen noch einen weiteren Vorteil ihrer Entwicklung: „Im Gegensatz zu chemischen Substanzen wissen Enzyme genau, an welcher Stelle sie arbeiten müssen.“ Ein natürlicher Mechanismus, der wohl auch für andere Industriezweige nutzbar sein wird, wie bei der Herstellung von Arznei- und Futtermitteln.

Das Forscherkonsortium sucht vielversprechende Enzyme in Umweltproben beispielsweise aus dem Boden oder aus Meerwasser. Eine Herausforderung: Denn aus möglicherweise Millionen dort gefundener Enzyme müssen die für jedes Produkt am besten geeigneten herausgefiltert werden.

Dabei helfen den Wissenschaftlern auch Supercomputer, die biologische Daten ultraschnell analysieren können. In einem nächsten Schritt geht es dann um Methoden, die gefundenen Enzyme im großen Stil zu produzieren. Den aktuellen Stand und die Ziele ihrer Forschung demonstrierten die Düsseldorfer Biologen beim „Tag der Neugier“ im Forschungszentrum Jülich. Dort konnten Besucher in die Wunderwelt der Enzyme eintauchen – und einen Blick in die Zukunft werfen.