Düsseldorf Im Bauch der Oberkasseler Brücke
Düsseldorf · Um die Oberkasseler Brücke in Schuss zu halten, klettern die Brückenwächter regelmäßig in das Innere.
Wenn die Rheinbahn über die Oberkasseler Brücke fährt, donnert es auf dem schmalen Metallsteg im Inneren der Brücke. Über den Steg kann man zu Fuß die ganze Brücke durchlaufen – umgeben von Tonnen von Beton und Stahl. Andreas Schmitz und seine Mitarbeiter gehen dort regelmäßig entlang. Im Amt für Verkehrsmanagement sind sie für die Unterhaltung der Ingenieurbauwerke zuständig – also Brücken, Tunnel und Stadtbahn.
Sie ist die älteste und gleichzeitig die jüngste Innenstadt-Brücke Düsseldorfs. Die älteste, weil sie dort steht, wo ab 1896 schon die erste Querung des Rheins gebaut wurde. 1925 noch einmal verbreitert und 1945 gesprengt, fanden sich hier bis zum Bau der jetzigen im Jahr 1969 verschiedene Behelfsbrücken, etwa in Form der schwimmenden Freeman-Brücke. Das heutige Bauwerk an sich ist daher die jüngste der Düsseldorfer Innenstadt-Brücken. Mit einer spektakulären Aktion fand sie im April 1976 an ihren Platz. Weil man den Verkehr während der Bauzeit nicht einschränken wollte, wurde zusätzlich zur Behelfsbrücke etwa 50 Meter rheinaufwärts die heutige Oberkasseler Brücke aufgebaut und der 12 500 Tonnen schwere Bau schließlich in zwei Tagen mit etwa dreieinhalb Metern pro Stunde an seinen Bestimmungsort gezogen.
Etwa 60 000 Fahrzeuge überqueren jeden Tag die Oberkasseler Brücke — dazu noch die Straßenbahn. Im Vergleich zu den anderen zwei Teilen der Düsseldorfer „Brückenfamilie“ sei das noch wenig, sagt Schmitz: Über Rheinknie- und Theodor-Heuss-Brücke fahren täglich eher 100 000. 614,72 Meter ist die Mittlere der drei lang und 35 Meter breit. In der Mitte hält ein 104 Meter hoher Pylon vier lange Stahlseile. An der Unterseite stoßen die Brückenpfeiler etwa sieben Meter in den Boden und sorgen für Stabilität.
Die Brücke schwingt und dehnt sich aus
Dort, wo man am Kaiser-Wilhelm-Ring unter der Brücke durchfahren kann, führt eine unscheinbare Tür in das Innere des Pfeilers und auf eine Treppe. Treppab lagern Ampeln, Türen führen weiter. Treppauf geht es in einen Gang in die Breite der Brücke. Rohre, Leitungen, Kabel verlaufen über dem Kopf. Auf dem Boden deutet Schmitz auf Dinge, die wohl nur ein Brückenexperte direkt zuordnen kann. Ein Klotz – vielleicht 20 Zentimeter breit – verschwindet unter Stahlträgern. Erst, wenn man in die Knie geht, sieht man die Lücke und die Konstruktion. Der unscheinbare Klotz, Teil des „Windlagers“ hält die Brücke, wenn sie bei starkem Wind zu weit zur Seite schwingen will.
Zum lauten Rauschen, das vom Verkehr oben in den Raum unter der Brücke dringt, kommt noch ein zweites. Klack-klack, Klack-klack — bei jedem Fahrzeug, das über die Dehnungsfuge rauscht. Auch die braucht jede Brücke, denn je nach Temperatur dehnt sich der Stahl aus oder zieht sich zusammen. „Eine Brücke geht kaputt, wenn sie sich nicht bewegen kann“, sagt Schmitz. 25 Zentimeter hat die Oberkasseler Brücke auf jeder Seite Spielraum. Die Fahrbahn kann sich bis zu einem Meter nach oben und unten durchbiegen.
An der Wand des Ganges finden sich kleine Luken, darunter je eine Leiter. Fünf Sprossen nach oben führen in den Bauch der Brücke – oder den Hohlkasten, wie die Experten sagen würden — und auf den Metallsteg, an dem man die Erschütterungen der großen Fahrzeuge und Straßenbahnwagen spüren kann. Alle drei Schritte heißt es: Kopf einziehen – auch wenn hier ohne Helm sowieso niemand hinein darf. Dicke Rohre laufen neben dem Steg entlang. Alle paar Meter lässt ein winziges Fenster ein bisschen Tageslicht herein. Nach vielleicht 20 Metern kommt die nächste Luke, danach geht es weiter.
Alle sechs Jahre steht die Hauptprüfung an
Immer wieder sind auf den Rohren Zahlen in gelber Farbe hinterlassen. Die kommen von Schmitz und seinen Mitarbeitern. Alle sechs Jahre werden die Brücken einer Hauptprüfung unterzogen. Dabei werden jede Schweißnaht, jeder Zentimeter Beton untersucht und abgeklopft, um mögliche Mängel zu finden. Drei Jahre nach so einer Hauptprüfung gibt es noch eine kleinere Prüfung, bei der vor allem die Mängel weiter beobachtet werden. Mit Sonaruntersuchungen werden auch die Pfeiler untersucht, auch die Kabel müssen alle drei Jahre auf den Prüfstand.
Blickt man auf dem Metallsteg stehend nach oben an die Decke, fällt die Vorstellung, wie nah die Fahrbahn darüber ist, schwer. Andreas Schmitz erklärt: Die Stahldecke ist gerade einmal zwölf Millimeter. Darauf kommen in der Mitte direkt die Schienen, an den Seiten, wo Autos fahren, noch einmal etwa acht Zentimeter Asphalt. So sind die Überquerenden den Untersuchenden doch erstaunlich nah — und wissen doch nicht, welch einen Radau sie in den Bauch der Brücke tragen.